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Der Zypressengarten

Der Zypressengarten

Titel: Der Zypressengarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Santa Montefiore
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trinken, und wir beide sprechen nicht über die Vergangenheit. Du ruhst dich aus und erholst dich, denn du hast eben einen gewaltigen Berg erklommen. Es wäre nicht richtig, wenn du danach in einem anonymen Hotel irgendwo auf der Strecke nach Rom übernachtest. Und es ist sowieso schon spät«, ergänzte er grinsend, und Marina musste unweigerlich schmunzeln. »Bitte, bleib.«
    »Na gut, wir bleiben. Aber du musst mich Marina nennen.«
    Er wirkte entsetzt. »Das ist zu viel verlangt. Ich spreche dich einfach gar nicht mit Namen an.«
    Rafas Stimmung war düster, als er aus dem Ort zurückkam. Er hatte eine Stunde lang an einem Tisch auf der Piazza vor einem Glas Wein gesessen und überlegt, wie Marina es aufnehmen würde, sollte er ihr endlich die Wahrheit sagen. Als er wieder zu dem Anwesen kam, empfing ihn der Butler und führte ihn in den Salon. Dort wartete er eine ganze Weile, wanderte im Zimmer auf und ab und sah sich all die Familienfotos an. Sonnengebräunte, strahlende Menschen lächelten aus Silberrahmen, und Rafa hatte den Eindruck, dass sie einer anderen Welt entsprangen, in der immerzu Sommer und jeder glücklich war. Er betrachtete die impressionistischen Gemälde an den Wänden und blieb längere Zeit vor einem Familienporträt über dem Kamin stehen. Es stammte aus dem Jahr 1979: Mutter, Vater und drei kleine Mädchen in hübschen weißen Kleidern und rosa Seidenschuhen. Rafa trat näher und sah sich den Mann genau an. Er war so in das Bild vertieft, dass er nicht hörte, wie die Tür geöffnet wurde und Marina und Dante hereinkamen.
    »Rafa.« Marinas Stimme riss ihn jäh aus seinen Gedanken. »Darf ich dir Dante vorstellen, meinen alten Freund?« Rafa war nicht überrascht, dass Marina in fließendem Italienisch sprach; es bestätigte ihm lediglich, was er schon die ganze Zeit vermutete.
    Aber Marina deutete seine Blässe falsch und erklärte rasch: »Ich bin hier aufgewachsen. Dante ist Teil meiner Vergangenheit.«
    Rafa schüttelte Dante die ausgestreckte Hand. »Freut mich, Sie kennenzulernen.«
    »Wir haben beschlossen, dass ihr beide heute hier übernachtet und morgen früh nach Rom zurückfahrt«, sagte Dante.
    Rafa konnte nicht aufhören, ihn anzusehen. Er war älter als der Mann, der von den Familienfotos lächelte, aber immer noch gut aussehend und mit einem starken Charisma.
    »Wie ich höre, sind Sie Künstler. Kommen Sie, lassen Sie mich Ihnen einige der Kunstwerke zeigen, die meine Familie über die Jahrzehnte gesammelt hat, und hinterher führe ich Sie durch die Gartenanlagen, ehe es dunkel wird. Ich finde sie um diese Tageszeit besonders schön.«
    Rafa folgte Dante hinaus in die Halle. Dabei blickte er fragend zu Marina, die jedoch den Blick abwandte. Offenbar wollte sie ihm nicht verraten, in welcher Beziehung die beiden zueinander standen.
    La Magdalena faszinierte ihn, und er merkte, wie seine Ängste schwanden, als sie hinaus in den Garten gingen. Marina blieb ein Stück zurück. Mit den Düften und Geräuschen wurden Erinnerungen an diesen Ort wach, den sie über alles geliebt hatte. Manche von ihnen hielt sie fest, andere ließ sie los; vor allem aber wurde ihr mit jeder Erinnerung ein wenig leichter ums Herz. Sie kamen in den Meerjungfrauengarten, wo Dante und sie vor vielen Jahren Freunde wurden, und in den Olivenhain, in dem sie Michelangelo den Pfau zähmte. Dann spazierten sie um den Springbrunnen und bewunderten die Statuen. Der Mauer jedoch, die nach wie vor an jener Stelle eingebrochen war, näherten sie sich nicht. Mit ihr waren zu schmerzliche Erinnerungen verknüpft.
    Später aßen sie bei Kerzenschein auf der Tarrasse, und Marina erzählte Dante von Clementine und Jake. Rafa wurde still, weil er an seinen letzten Zusammenstoß mit Clementine dachte. Er würde ihr gerne eine SMS schicken – sicher wäre sie begeistert zu erfahren, dass ihre Stiefmutter fließend Italienisch sprach – aber er konnte nicht so tun, als wäre nichts passiert. Er musste reinen Tisch machen, ihr die Wahrheit sagen, nachdem er sich nun sicher war, dass er sie gefunden hatte.
    Er beobachtete Dante und Marina – wie vertraut sie miteinander umgingen, wie Marina beim Sprechen gestikulierte. Ihr Italienisch war so gut wie akzentfrei. Und obwohl sie Rafa durchaus ins Gespräch einbezogen, achteten sie nicht besonders auf ihn, weil sie viel zu sehr mit sich beschäftigt waren. Dantes zärtlicher Blick war unmissverständlich, und Marina schien unter ihm regelrecht aufzublühen, mit jedem

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