Der Zypressengarten
Dankesschreiben dalässt?«
»Die sind sein Markenzeichen, nicht?«
»Ich glaube, er genießt es, Baffles der Gentleman-Gangster genannt zu werden. Vermutlich ist er auf Raffles, die Figur aus dem alten Film, fixiert. Du weißt schon, der, den David Niven gespielt hat.«
»Ursprünglich war es ein Roman von E. W. Hornung, dem Schwager von Arthur Conan Doyle, der Sherlock Holmes erfunden hat. Das hat Grey mir erzählt. Er kennt sich in der Literatur aus. Wie auch immer, Baffles sollte lieber nicht zu eitel werden. Den Fehler machen sie alle über kurz oder lang.«
»Wahrscheinlich hast du recht, aber zur Zeit sind noch alle baff.« Er lachte über sein Wortspiel. »Fest steht, dass er die Hotels und die Privathäuser, in die er einbricht, gut kennt, und keiner hat einen Schimmer, wie.«
»Ich bin keine Detektivin, aber ich würde sagen, dass er vorher als Gast dort war.«
»Kann sein. Aber wie verschafft sich ein Gast Zugang zu allen Zimmern?«
»Er steigt aus dem Fenster und springt von Sims zu Sims, wie eine Katze.« Sie schmunzelte bei dem Gedanken an Harveys geträllertes »Macavity«-Lied aus »Cats«.
»Oder er war beruflich in den Hotels – ein Gasmann oder Teppichreiniger zum Beispiel.«
»Sie kriegen ihn schon noch«, sagte Marina voller Zuversicht. »Diese Leute kommen nie ungeschoren davon.«
»Dann hört er lieber auf, solange er vorne liegt.«
»Wenn er kleine Dankesbriefe dalässt, dann macht es ihm Spaß. Er kommt erst richtig in Fahrt.«
Jake schüttelte den Kopf. »Er wird sich vergaloppieren, sag ich dir. Irgendwann wird er zu frech und macht was Dummes.«
»Hoffen wir, dass das bald passiert.«
Jake folgte ihr, als sie weiterging. »Und, wie ich höre, waren die Bewerbungsgespräche gestern nicht so toll.«
»Ich bin reichlich gefrustet.« Sie ließ die Schultern hängen.
»Dad sagt, heute Morgen kommt ein Argentinier.«
»Rafa Santoro. Der Name klingt wie ein Hundekuchen.«
»Hoffen wir, dass er weniger krümelig ist.«
»Ich wünsche mir einfach nur, dass er ein normaler Maler ist. Ich verlange ja gar nicht nach jemand Besonderem. Ich will keine Exzentriker. Die haben wir hier schon zur Genüge.«
»Apropos, Mr Potter will dich dringend sprechen. Wegen Wicken oder so.«
»Später.« Sie sah auf ihre Uhr. »Ich gehe mal schnell ein bisschen mit dem Brigadier plaudern, ehe der Keks kommt. Falls er zu früh ist, bin ich im Speisesaal. Bring ihn in mein Büro und sag mir Bescheid, wenn er komisch ist. Ich kann heute Morgen nichts Komisches ertragen.«
Der Brigadier saß an seinem üblichen Tisch am Ende des Speisesaals, am Fenster. Er trug einen Tweed-Dreiteiler und eine hellgelbe Krawatte, trank Tee und las The Times, wobei er die Absurdität des Weltgeschehens mit lautem »Tss-Tss« und Kichern kommentierte. Der Raum hatte eine hohe Decke und riesige Fenster, vor denen eine majestätische Zeder stand. Die Morgensonne flutete alles mit ihrem Licht und malte einen Heiligenschein um den Brigadierskopf. Als er Marina sah, richtete er sich mühsam auf, obwohl sie ihm schon oft gesagt hatte, dass er ihretwegen nicht aufstehen müsste, und begrüßte sie mit seiner dröhnenden Stimme.
»Was für ein herrlicher Anblick so früh am Morgen!« Sein Gesicht war von roter Haut und geplatzten Adern übersät, verziert von sauber geschnittenen Koteletten und einem Schnauzer sowie einem dichten Schopf weißen Haars. Seine Augen mochten klein wie Rosinen sein, aber er sah noch verteufelt gut und musterte Marina, als wäre sie eine hübsche Stute. »Sie sind die Schönheit in Person, Marina.«
»Danke«, sagte sie und setzte sich zu ihm.
»Grey lieh mir gestern ein äußerst interessantes Buch. Ich fing spät am Abend an zu lesen und konnte nicht aufhören.«
»Welches Buch war es?«
» Masters and Commanders von Andrew Roberts. Ein großartiges Buch, hervorragend geschrieben. Reinstes Vergnügen. Manchmal wünschte ich, ich könnte die Zeit zurückdrehen. Das waren die besten Tage meines Lebens.«
»Ich bin sehr froh, dass wir das nicht können.«
»Schimpfen Sie mich einen alten Narren, aber mein Leben hatte damals einen Sinn. Ich hatte etwas, wofür ich kämpfte, und nichts war seitdem wieder so gut in meinem Leben. Ich bin wie ein alter Zug auf dem Schrottplatz, der sich an glücklichere Zeiten erinnert.«
»Ihr Leben hat durchaus noch einen Sinn, Brigadier. Sie haben Kinder, Enkel und Ihren Urenkel Albert. Sie stehen wahrlich nicht auf dem Schrottplatz.«
Er lachte. »Ach ja,
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