Der Zypressengarten
Mutter zu haben«, pflichtete Maria ihr bei.
»Lieber eine tote Mutter als eine, die einen nicht will«, sagte Rosaria und zündete sich eine Zigarette an.
»Dante hat sie gerettet«, erzählte Damiana. »So ist er nun mal. Gibt es im Umkreis von zehn Kilometern einen verletzten Hund, findet er ihn, bringt ihn nach Hause und kümmert sich um ihn. Er fühlt einen Vogel mit gebrochenem Flügel auf hundert Schritt Entfernung.«
»Und sie da?«, flüsterte Allegra mit einem Nicken zu Costanza. Costanza tat, als hörte sie nichts.
»Sie ist die Tochter von Contessa Aldorisio.«
»Sehr adlig«, sagte Rosaria beeindruckt.
»Der Vater von der kleinen Streunerin ist der Chauffeur vom Conte.«
»Wie niedlich von Costanza, sich mit ihr anzufreunden«, sagte Allegra. »Das müsste sie nicht.«
Diese Bemerkung machte Costanza stolz. Sie reckte die Nase und sprang ins Wasser. Es tat gut zu wissen, dass die anderen sie nicht für ein einfaches Mädchen wie Floriana hielten, sondern für eine von ihnen. Als sie zu ihrer Freundin schwamm, lächelte sie glücklich. Es war richtig, dass sie hier war. Und für Floriana freute sie sich sehr.
9
Der Tag war ein solcher Erfolg, dass Damiana die Mädchen gleich für den nächsten wieder einlud. Sie rief die Contessa an, die beinahe weinte vor Glück, weil ihre Tochter von einer der reichsten Familien Italiens empfangen wurde. Und sie schickte Graziella wieder mit den Mädchen. Ohne ihre Eltern genoss Damiana es, die Gastgeberin zu spielen. Sie aßen auf der Terrasse ein Mittagessen, das sie mit dem Koch abgesprochen hatte, tranken Wein aus dem Keller ihres Vaters und rauchten.
Floriana steckte voller Geschichten und brachte alle zum Lachen, bis sie Seitenstiche bekamen. Sie machte sich über ihren Vater und Signora Bruno lustig und äffte die beiden erbarmungslos übertrieben nach. Humor war die einzige Art, wie sie mit dem Elend umgehen konnte, das ihr Vater verursachte.
Costanza war still, scheinbar zufrieden damit, dass ihre Freundin im Mittelpunkt stand. Gute-Nacht lag zu Florianas Füßen und futterte zufrieden die Bröckchen, die sie ihm heimlich unter dem Tisch gab. Dante bemerkte es, sagte aber nichts. Nach dem Mittagessen verschwanden die beiden jungen Gäste im Olivenhain, um mit Michelangelo zu spielen. Sobald sie außer Hörweite waren, redeten die anderen über sie. Sie waren sich einig, dass es sie nichts kostete, wenn die Kinder auf dem Anwesen spielten und im Swimmingpool badeten. Vor allem aber fragten sie sich, was für eine Mutter weglaufen und eine solch entzückende Tochter wie Floriana zurücklassen konnte. Keiner verstand, warum sie die Kleine nicht mitgenommen hatte. Damiana gewann sie jetzt schon lieb. Floriana hatte sich ebenso in ihr Herz gestohlen wie zuvor in Dantes, und deshalb war Damiana mehr als gewillt, die kleine Streunerin unter ihre Fittiche zu nehmen.
Am nächsten Tag kamen die Mädchen wieder mit Graziella, tags drauf dann allein. Die Contessa fand, sie wären inzwischen hinreichend vertraut mit der Hausherrin, um ohne Begleitung hinzugehen. Von da an verbrachten sie die meisten Tage in La Magdalena, mal die Vormittage, mal die Nachmittage, waren jedoch nie eine Last für Dante und Damiana. Die Geschwister hatten die Mädchen gerne bei sich. Sie waren wie ein paar mehr Streuner, die gut in die bereits vorhandene Menagerie passten. Sie beschäftigten sich allein und mussten nicht unterhalten werden. Das Spielen in den Gartenanlagen wurde ihnen nie langweilig. Sie erkundeten sämtliche Winkel, beobachteten heimlich die anderen, wenn sie am Pool lagen, und fragten die Gärtner nach den Namen der Blumen und Bäume. Floriana tollte mit Gute-Nacht und trug den Kater auf ihren Armen umher. Michelangelo war entschieden zu stolz, seine wachsende Zuneigung zu dem Mädchen allzu offensichtlich zu machen, ließ sich von ihr den Bauch streicheln und folgte den beiden ostentativ desinteressiert in einigem Abstand.
Die Tage verstrichen in einem herrlichen Sommerflirren. Floriana scherte sich nicht mehr darum, dass ihr Vater sich Abend für Abend in Luigis Bar betrank, und wenn sie nicht gerade in La Magdalena war, spielte sie mit Costanza bei ihr zu Hause – unter Aufsicht der missmutigen Contessa.
»Musst du Floriana jedes Mal mitnehmen, wenn du zu den Bonfantis gehst?«, fragte sie ihre Tochter eines Abends, nachdem Floriana nach Hause gegangen war.
»Warum?«
»Weil, mein Liebes, sie nicht zu unserem Stand gehört. Es ist unangemessen. So
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