Derek Landy
gestorben, Mum, sie ist einfach gestorben. Verstehst du mich jetzt? Sie
haben sich auf sie gestürzt und sie umgebracht."
Muriel seufzte. "Warum kommst du dann nicht nach
Hause?"
"Ich verstecke mich."
"Wo?"
"Auf dem Spielplatz, in diesem kleinen
Hüttending."
"Wo die Kinder spielen? Du passt da rein?"
"Sie suchen nach mir. Sie wollen Dad."
Muriel hängte einen Teebeutel in ihren Becher und goss
heißes Wasser darüber. "Warum wollen sie deinen Vater?"
"Keine Ahnung. Sie sagen, er hat Einfluss."
"Natürlich hat er Einfluss. Er ist oberster Chef der Staatspolizei."
Ashley sprach wieder etwas lauter. "Ich weiß, wer er
ist, Mum! Ich wiederhole nur, was sie gesagt haben. Sie haben gesagt, sie
könnten ihn brauchen, und sie wollen über mich an ihn ran!"
"Verstehe." Muriel nippte an ihrem Tee.
"Sie sind da", berichtete Ashley sehr viel leiser.
"Deine Freunde?"
Ashley antwortete nicht. Muriel trank noch einen Schluck,
während sie darauf wartete, dass ihre Tochter etwas sagte. Durchs Telefon kam
ein entfernter Schrei, dann Geräusche, als bewegte sich jemand. Das Telefon
stieß an etwas, dann hörte man Wind rauschen.
"Mum!", rief Ashley so laut, dass Muriel ihr Handy
ein Stück vom Ohr weghalten musste. "Hol Dad! Sie sind hinter mir her. Ich
komme nach Hause, aber sie sind mir auf den Fersen! Sie sind schneller!"
Geräusche wie von einer Rangelei, das Rauschen des Windes,
Ashleys gehetzte Atmung. Muriel schüttelte den Kopf und sah auf, als ihr Mann
in die Küche kam.
"Irgendetwas tut sich in der Stadt", berichtete er
und nahm seinen Autoschlüssel. "Ein paar Leute drehen offenbar durch. Es
gab Krawalle auf den Straßen. Hast du meinen Mantel gesehen?"
"Ich glaube, er liegt auf dem Bett", erwiderte
Muriel. Ihr Mann nickte und ging nach oben. Sie sprach wieder ins Telefon:
"Entschuldige, Liebes, was hast du gesagt?"
"Hol Dad!", kreischte Ashley. Das Gerangel endete
abrupt mit einem dumpfen Schlag.
Muriel hörte Ashley weinen, aber sie klang weit weg, so als
hätte sie das Handy fallen lassen.
James kam wieder herein, er hatte den Mantel übergezogen.
"Vielleicht solltest du besser im Haus bleiben", riet er.
"Könnte sein, dass es draußen nicht sicher ist. Wo ist Ashley?"
"Ich rede gerade mit ihr", entgegnete Muriel.
Er nickte. "Sag ihr, sie soll nach Hause kommen."
"Das wird ihr nicht behagen."
"Sag ihr, sie kann später einen ihrer pubertären
Anfälle bekommen und ich höre mir die ganze Geschichte an, ich verspreche es.
Aber draußen ist es im Moment nicht sicher."
"Es ist nicht einmal hier drinnen sicher",
entgegnete Muriel und kicherte in sich hinein.
James lachte, hörte dann aber abrupt auf. "Das verstehe
ich jetzt nicht."
Muriel versetzte ihm einen Schlag und er taumelte gegen den
Küchentresen, brach zusammen und blieb auf den Fliesen liegen. Es war in
zweiunddreißig Ehejahren das erste Mal, dass einer von ihnen die Hand gegen den
anderen erhoben hatte. Wirklich traurig.
Aus dem Telefon kam eine andere Stimme. Leise. Spöttisch.
"Spricht dort Ashleys Mummy?"
"Hallo, Dan", meldete sich Muriel, "du kommst
zu spät, tut mir leid. Du hättest ihn dir über seine Frau schnappen sollen,
nicht über seine Tochter." Als sie Dan fluchen hörte, lächelte sie. Sie
öffnete weit den Mund und der Restant wand sich heraus. Während sie
zusammenbrach, flitzte er zu ihrem Mann und kletterte seine Kehle hinunter.
James blinzelte ein paarmal und öffnete dann die Augen. Er stöhnte leise, als
er sich aufsetzte, und wünschte, er hätte sich nicht selbst so fest geschlagen.
Dann griff er nach dem heruntergefallenen Handy seiner Frau und stand auf.
"Bist du noch da, Dan? Jetzt bin ich derjenige, der den
ganzen netten Polizisten und Polizistinnen die Befehle erteilt. Und was genau
bist du noch mal? Ein pickliger Teenager?"
"Nein", antwortete Dan aggressiv. "Ich habe
einen Plan B."
"Oh, den würde ich zu gerne hören."
"Nun, zuerst bringe ich deine Tochter hier um. Dann
..." James hörte weitere Stimmen und einen Augenblick später meldete sich
Dan wieder. "Okay, wie es aussieht, bringe ich deine Tochter nicht um.
Aoife ist ein bisschen ausgeflippt, die kleine Irre. Aber ich werde trotzdem noch
meinen Spaß haben. Du bist der Polizeipräsident? Dann bin ich der
Taoiseach."
James lachte. "Vom pickligen Teenager zum
Premierminister - nicht schlecht, der Sprung auf der Karriereleiter.
Vorausgesetzt es ist nicht jemand vor dir dort. Ich an deiner Stelle würde mich
beeilen, Dan. Wenn du weiter deine
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