Derek Landy
Ferne
gesehen, eine Gestalt, die gekämpft und getötet und gemordet hat, und dann
haben wir mich gesehen, mein zukünftiges Ich in Nahaufnahme, und dieses
zukünftige Ich hat sich ziemlich mies gefühlt wegen alldem. Das war zwar nett von
ihm, aber es ist ganz offensichtlich ein bisschen schizo. Pass auf, es hat eine
Weile gedauert, bis ich mich mit der ganzen Sache wirklich befassen und einen
logischen Schluss ziehen konnte, aber offensichtlich erfährt irgendjemand
irgendwann meinen wahren Namen und benutzt ihn, um mich nach seiner Pfeife
tanzen zu lassen."
"Dann wirst du deinen Namen versiegeln müssen",
meinte Gordon.
"Weißt du, wie das geht?"
"Nein", gab er zu. "Ich habe über Magie
geschrieben, hatte aber, wie du weißt, keinerlei Begabung dafür. Ein solches
Wissen, das Wissen um das Versiegeln seines wahren Namens, besitzt nur eine
ganz bestimmte Sorte von Zauberern."
"Skulduggery kann ich nicht fragen", bekannte
Walküre leise. "Ich will nicht, dass er davon erfährt."
Gordon blieb stehen und blickte sie liebevoll an. "Er
würde es verstehen, Walküre. Skulduggery hat schon eine Menge mitgemacht."
"Weshalb willst du dann immer noch nicht, dass ich ihm
von deiner Existenz erzähle, wenn er doch so verständnisvoll ist?"
"Das ist etwas völlig anderes", antwortete Gordon
verschnupft. "Das hat nie etwas mit ihm oder sonst jemandem zu tun gehabt,
sondern immer nur mit mir und meiner Unsicherheit."
"Von der du jetzt geheilt bist, richtig?"
Er zögerte. "Theoretisch ja ..."
"Dann wäre es okay für dich, wenn ich Skulduggery
erzähle, dass ich regelmäßig mit dir rede?"
Gordon fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. "Ich
glaube nicht, dass der Zeitpunkt jetzt günstig wäre. Du hast viel zu tun und
ich glaube, ich kann dir ohne die Ablenkung durch andere eher von Nutzen
sein."
"Du hast Angst."
"Ich habe keine Angst, ich bin nur vorsichtig. Ich weiß
nicht, wie meine Freunde darauf reagieren würden. Ich bin schließlich nicht
wirklich Gordon Edgley - ich bin lediglich eine Wiedergabe seiner
Persönlichkeit."
"Aber ...?" Walküre hob die Augenbrauen.
"Aber", unterbrach er sie rasch, "das
bedeutet nicht, dass ich keine vollwertige Person mit eigener Identität und
eigenem Wesen bin."
"Sehr gut." Sie lächelte. "Du hast daran
gearbeitet."
"Ich habe jede Menge Zeit, mein Selbstwertgefühl
aufzumöbeln, wenn ich in diesem kleinen blauen Kristall sitze und darauf warte,
dass du vorbeischaust."
"Ist das deine subtile Art, mir zu sagen, dass ich
öfter vorbeikommen sollte?"
"Ich höre praktisch auf zu existieren, wenn du nicht da
bist", beklagte sich Gordon. "Daran ist überhaupt nichts
Subtiles."
Walküres Handy summte. "Fletcher
wird gleich hier sein", erklärte sie und hob den Echostein samt Unterlage
vom Tisch auf. "Du gehst besser wieder zurück."
Gordon folgte ihr, als sie vom Wohnzimmer zur Treppe ging.
"Heute Nachmittag ist doch die große Versammlung, oder?"
"Ja." Sie machte ein finsteres Gesicht.
"Trotz allem, was passiert ist, und trotz allem, was mir noch bevorsteht,
muss ich meine Zeit mit einem solchen Quatsch vergeuden. Skulduggery meint, es
sei wichtig mitzuerleben, wie diese Art von Politik funktioniert."
"Du kannst dich glücklich schätzen", meinte Gordon
wehmütig. "Ich wäre zu gern zu so etwas eingeladen worden, als ich noch am
Leben war."
"Da hocken doch nur ein Haufen Leute herum, die darüber
debattieren, wie wir bei der Einrichtung eines neuen Sanktuariums vorgehen
sollen. Was kann ich denn dazu beitragen?"
"Keine Ahnung. Eine alles überschattende
Griesgrämigkeit?"
"Das bekomme ich hin."
Sie betraten das Arbeitszimmer, doch statt ihr durch die
Geheimtür in das Zimmer dahinter zu folgen, in dem er die kostbarsten Stücke
seiner Sammlung aufbewahrte, ging Gordon zu einem schmalen Bücherregal beim
Fenster. "Und wie geht es Fletcher so?"
"Ihm geht's prächtig."
"Hast du ihn deinen Eltern vorgestellt?"
Walküre runzelte die Stirn. "Nein. Und ich hab es auch
nicht vor."
"Glaubst du, dass sie nicht mit ihm einverstanden
wären?", fragte Gordon, während er die Bücher durchging.
"Ich glaube, sie würden anfangen, alle möglichen
peinlichen Fragen zu stellen. Und ich glaube, es würde sie nicht freuen, dass
mein Freund älter ist als ich."
"Er ist achtzehn, du bist sechzehn", stellte
Gordon klar. "Dramatisch viel älter ist das nicht gerade."
"Wenn ich es ihnen sagen muss, mache ich das auch. Im
Augenblick fühlt sich Skulduggery dafür verantwortlich, mir all
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