Derek Landy
dachte, wir hätten die Besten angeheuert."
Der alte Mann machte sich nicht die Mühe, seinen Ärger zu
unterdrücken. "Das haben wir auch."
"Sie muss sterben", bestimmte die Frau. "Sie
ist viel zu gefährlich, um in Ketten dahinzuvegetieren."
"Tesseract hat mir versichert, dass sie bald tot
ist." Der Alte sah die Frau nicht an. "Glauben sie immer noch, die
Amerikaner seien schuld?"
Der Mann mit den goldenen Augen zuckte mit den Schultern.
"Wer weiß schon, was Skulduggery Pleasant denkt? Uns bleibt nichts anderes
übrig, als uns an den Plan zu halten. Falls er Verdacht gegen uns schöpft,
werden wir uns um ihn kümmern. Doch noch liegen wir gut in der Zeit. Diese
Stadt wird das neue Sanktuarium beherbergen. Von hier aus werden wir die Welt
verändern."
WENN DIE GESICHTSZUGE ENTGLEISEN
China Sorrows war nicht in der Bibliothek, die die Hälfte
des dritten Stocks in dem Mietshaus einnahm. Sie war auch nicht in der Wohnung
auf der anderen Seite des Flurs. Chinas Assistent, der magere Herr, der nie ein
Wort sprach, senkte kaum merklich den Blick, als Skulduggery ihn fragte, wo sie
sei, doch offensichtlich genügte ihm das als Hinweis.
Walküre folgte Skulduggery durch das nasskalte Treppenhaus
nach unten. Der Skelett-Detektiv hatte seine Fassade angelegt, die sich jedoch
immer noch weigerte, da zu bleiben, wo sie hingehörte. Walküre beobachtete, wie
sein Gesicht auf seinen Hinterkopf rutschte.
"Wohin gehen wir?", erkundigte sie sich. Ein Paar
trübe grüne Augen schob sich langsam durch Skulduggerys Haare.
"In den Keller."
"Ich wusste gar nicht, dass das Haus hier einen Keller
hat.
"Den gibt es auch erst, seit China es gekauft hat und
ein Untergeschoss einbauen ließ. Selbst die Leute, die hier wohnen, wissen
nichts davon."
"Ich wollte nur anmerken, dass du hinten Augen hast,
aber ein Kompliment soll das nicht sein."
"Ich weiß", erwiderte Skulduggery
niedergeschlagen.
"Wie kannst du im Moment überhaupt etwas sehen?"
Er drehte sich zu ihr um. Der Mund der Fassade stand über der linken Augenhöhle
weit offen. "Das ist so was von danebengegangen", murmelte sie. Sie
gingen weiter.
"Es gibt nur einen einzigen Grund, weshalb China in den
Keller hinuntersteigt", erklärte Skulduggery. "Na ja, da unten steht
auch ihr Wagen. Also gibt es nur zwei Gründe, weshalb sie hinuntersteigt, außer
der Tatsache, dass es da unten trocken und sicher ist und der Keller sich gut
als Lager eignet. Das macht dann drei Gründe, weshalb sie überhaupt jemals
hinuntersteigt, und der Hauptgrund neben dem Wagen und dem Lager ist ihre
Privatsphäre. Abgeschiedenheit. Und weshalb braucht sie wohl eine Privatsphäre
und Abgeschiedenheit?"
"Keine Ahnung."
"Sie braucht ihre Privatsphäre und Abgeschiedenheit,
wenn sie jemanden beim Klauen erwischt hat." Sie erreichten das
Erdgeschoss.
"Wie kommen wir runter?", fragte Walküre.
"Gibt es einen unsichtbaren Aufzug? Eine Falltür? Oh, müssen wir
vielleicht an einer Stange hinunterrutschen, wie bei der Feuerwehr?"
Skulduggery ging zum Besenschrank und öffnete die Tür. Es
waren keine Besen drin und kein Fußboden, nur -
"Eine Treppe", stellte Walküre enttäuscht fest.
"Aber keine gewöhnliche Treppe", klärte
Skulduggery sie auf. "Es handelt sich hierbei um eine magische
Treppe."
"Tatsächlich?"
"Oh ja."
Sie folgte ihm in die Dunkelheit. "Inwiefern ist sie
magisch?" "Sie ist es einfach." "In welcher Hinsicht?"
"In magischer Hinsicht."
Walküre blickte finster auf seinen Hinterkopf. "Sie hat
überhaupt nichts Magisches, stimmt's?" "Nicht wirklich."
Im Keller war es kalt. Eine trübe Glühbirne kämpfte tapfer
gegen die Dunkelheit. Sie gingen einen schmalen, von Maschendraht begrenzten
Gang hinunter, vorbei an Stapeln von Schachteln und Kisten. Über die Decke
schlängelten sich verrostete Rohre. Bei dem schwachen Licht sahen sie aus wie
Königsboas, die sich jederzeit herunterfallen lassen, die beiden umschlingen
und langsam das Leben aus ihnen herauspressen konnten. Oder besser: aus ihr.
Skulduggery besaß kein Leben mehr, das man hätte herauspressen können.
Weiter vorn waren Stimmen zu hören. Endlich war das
Maschendrahtlabyrinth zu Ende und sie betraten einen weiten Raum, der lediglich
von den Scheinwerfern eines im Leerlauf tuckernden Wagens erhellt wurde. Ein
Mann lag auf den Knien und versuchte, seine Augen abzuschirmen. Ob er sie vor
dem blendenden Scheinwerferlicht oder der blendenden Schönheit der Frau, die
vor ihm stand, zu schützen versuchte, war
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