Derek Landy
meiner Meinung nach die
logische Interpretation."
Tenebrae nickte. "Die Argumentation von Kleriker Craven
erscheint mir schlüssig. Solomon, ich wollte den Beweis, dass Unruh stark genug
ist. Diesen Beweis hast du noch nicht erbracht."
"Was wir dagegen bekommen haben, war eine
Warnung", meldete sich Quiver wieder. "Wir können unsere Zeit nicht
länger mit Kandidaten verplempern, die die geforderten Bedingungen nicht
erfüllen. Diese Darquise kommt. Wenn wir unseren Todbringer nicht finden, bevor
sie hier ist, ist diese Welt dem Untergang geweiht."
Kranz biss die Zähne zusammen. Cravens Grinsen hätte sich zu
gern ausgebreitet.
"Und der Restant?", fragte Kranz. "Den lassen
wir einfach frei herumlaufen?"
"Was erwartest du denn von uns?" Tenebrae musste
fast lachen. "Dass wir einen Suchtrupp zusammenstellen? Ihn aufspüren?
Kleriker Kranz, das entspricht nicht den Methoden der Totenbeschwörer. Der
Restant ist im Moment nicht unser Problem. Um den sollen sich andere kümmern,
wenn es denn sein muss."
"Eure Eminenz -"
"Du wirst dich in diese Angelegenheit nicht mehr
einmischen. Hast du mich verstanden, Kleriker?"
Kranz riss sich zusammen und verbeugte sich. "Jawohl,
Sir. Selbstverständlich, Sir."
Craven ging in den inneren Bereich des Tempels und erlaubte
sich endlich ein breites Grinsen. Das war höchst vergnüglich gewesen.
Nachgerade triumphal war das gewesen. Nicht nur, dass Solomon Kranz vor ihm
gedemütigt worden war, nein, in gewisser Weise hatte man ihm, Craven, die
Erlaubnis erteilt, seine eigenen Pläne in die Tat umzusetzen. Die Notwendigkeit
war offensichtlich. Das Zeitfenster zwangsläufig klein. Das wusste Tenebrae
natürlich nicht, aber Ihre Eminenz war einfach zu vorsichtig. In unruhigen Zeiten
siegte der Draufgängerische.
Craven kam zu einem Bereich des Tempels, den er über die
Jahre klammheimlich für seine persönliche Nutzung mit Beschlag belegt hatte. Es
war der dunkelste und feuchteste und kälteste Teil des Tempels, der tiefste
Punkt unter dem Friedhof. Er zog einen langen Schlüssel aus seiner Robe,
steckte ihn ins Schloss und drehte ihn um. Es klickte, die schwere Tür schwang
auf und er trat ein.
Melancholia stand bereits neben dem Stuhl, den er ihr
zugewiesen hatte. Sie wartete mit gesenktem Blick, die Hände an den
Oberschenkeln.
"Du kannst den Blick heben", gestattete ihr
Craven. "Kleriker Kranz ist zurückgekommen. Seine Mission ist leider
fehlgeschlagen."
Melancholias Augen blitzten. "Dann ist Unruh nicht der
Todbringer?"
"Wir können nicht sicher sein und man hat meiner
Kleriker-Kollegin nicht verboten, mit dem Studium fortzufahren ... aber es
sieht immer unwahrscheinlicher aus. Du hast nie geglaubt, dass sie die
Auserwählte ist, oder?"
Melancholia zögerte. "Nein, Sir, tut mir leid, das habe
ich nicht."
"Ich auch nicht."
Sie runzelte die Stirn. "Kleriker?"
"Ich glaube nicht, dass Walküre Unruh die Passage
ermöglichen würde, auch wenn sie die Macht dazu hätte. Sie ist nicht die
Richtige. So wie Lord Vile auch nicht der Richtige war. Aber du, Melancholia,
du könntest genau die sein, auf die wir alle gewartet haben."
"Ich?"
"Du hast vielleicht nicht die natürliche Begabung einer
Unruh, aber das machst du wett durch Leidenschaft und Engagement -
Eigenschaften, die ich sehr viel höher schätze. Wie alt bist du?"
"Zwanzig, Sir."
"Und du hast das Aufwallen deiner Kräfte noch vor
dir?" "Jawohl, Sir."
"Aber du bist sicher, dass du Totenbeschwörer werden
willst? Wenn deine Kräfte nämlich aufwallen, in einem Monat, in einem Jahr,
wann immer es so weit ist, hast du keine Wahl mehr. Von diesem Punkt an bist du
für den Rest deines Lebens auf eine und nur diese eine Disziplin
festgelegt."
"Ich wollte noch nie etwas anderes sein als
Totenbeschwörer."
"Gut. Sehr gut. Ich habe nur auf jemanden gewartet, der
die richtigen Eigenschaften besitzt, das richtige Alter hat und kurz vor dem
Aufwallen seiner Kräfte steht. Ich habe auf dich gewartet, Melancholia."
"Sie glauben wirklich, dass ich der Todbringer sein
kann?"
"Mit meiner Hilfe, ja. Wir werden hart arbeiten müssen.
Es wird nicht einfach sein und es wird schmerzvoll sein. Wir müssen dich
vorbereiten, damit du beim Aufwallen deiner Kräfte mit dunkler Magie erfüllt
wirst."
"Ist das ... ist das denn möglich?"
"Ich will dich nicht belügen. So etwas hat es noch nie
zuvor gegeben. Nicht einmal gedacht wurde es. Meine Forschungen auf dem Gebiet
der Magie haben mir Möglichkeiten aufgezeigt, die wir nie
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