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Derrick oder die Leidenschaft für das Mittelmaß

Derrick oder die Leidenschaft für das Mittelmaß

Titel: Derrick oder die Leidenschaft für das Mittelmaß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Nichtigkeit darzutun. Unter allen Lösungen scheint mir die des betref-fenden Herrn die am wenigsten gesellschaftsschädliche.
    Doch wer im Internet zu jener Homepage gelangt ist (um dann von ihr eine irrelevante Enthüllung zu bekommen, die alle Prinzipien der mystischen Epiphanie beleidigt), hat immerhin eine gewisse Summe für Telefonverbindun-gen ausgegeben (um nicht von dem Zeitaufwand und dem entgangenen Gewinn zu sprechen, auch nicht von den in Anspruch genommenen Linien und der Störung, die daraus für die Gemeinschaft der Netzbenutzer erwächst).
    Aber dies ist ja das Schöne an der Anarchie des Internet: Jeder hat das Recht, seine eigene Irrelevanz zu bekunden.
    Da Millionen von Irrelevanzen jedoch etwas statistisch Relevantes ergeben, kann der Surfer sich trösten. Er hat eine Momentaufnahme erhalten, die viel über unsere heutigen Tragödien der Anonymität und Einsamkeit besagt.
    Verglichen mit Herostratos, der, um in die Geschichte einzugehen, den Artemistempel in Ephesus anzündete (und damit der Allgemeinheit einen beträchtlichen Schaden zu-fügte – obwohl ich vor einem Urteil über Herostratos, wie Stanislaw Jerzy Lec sagte, lieber erst mal den Artemis-127
    tempel in Ephesus gesehen hätte), sei mir willkommen, wer nur seine eigenen Eingeweide nach außen kehrt und mich schlimmstenfalls ein paar Kröten für Telefonverbin-dungen kostet.
    Womit sich jedoch das Hauptproblem des Internet wieder stellt: Wie unterscheidet man zwischen relevanter und irrelevanter Information? Darauf gibt es bislang keine Antwort.
    1995
    128
    Haben wir wirklich so viel erfunden?
    Die Annonce ist wahrscheinlich im Internet aufgetaucht, aber ich weiß nicht wo, denn sie ist mir per e-mail geschickt worden. Es handelt sich um eine Pseudo-
    Werbeanzeige, die eine Neuheit anpreist: das Built-in Orderly Organized Knowledge, abgekürzt BOOK.
    Keine Drähte, keine Akkus, kein elektrischer Antrieb, kein Schalter oder Druckknopf, das Ding ist kompakt und tragbar, es kann auch im Sitzen vor dem Kamin benutzt werden. Es besteht aus einer Folge von numerierten Blättern (aus recycelbarem Papier), deren jedes Tausende von Bits enthält. In der richtigen Reihenfolge zusammengehal-ten werden diese Blätter, genannt Seiten, durch ein elegantes Etui, genannt Bindung.
    Jede Seite wird optisch gescannt, und die Information wird direkt ins Gehirn übertragen. Es gibt einen Befehl Browse , mit dem man von einer Seite zur anderen gelangt, sowohl vorwärts wie rückwärts, durch eine einzige Fin-gerbewegung. Ein Tool namens »Inhaltsverzeichnis« erlaubt das sofortige Auffinden des gewünschten Themas auf der richtigen Seite. Ein optionales Zusatzgerät namens
    »Lesezeichen« führt zielgenau an die Stelle zurück, an der man beim ersten Mal haltgemacht hatte, auch wenn das BOOK zwischenzeitlich geschlossen worden ist.
    Der Text endet mit diversen weiteren Präzisierungen über dieses aufregend innovative Gerät und annonciert auch den Verkaufsstart des Portable Erasable-Nib Cryptic Intercommunication Language Stylus, kurz PENCIL. Das Ganze ist nicht nur ein schönes humoristisches Stück, es ist auch die Antwort auf viele bange Fragen zum mögli-129
    chen Ende des Buches infolge des siegreich vorandringenden Computers.
    Es gibt viele Gegenstände, die nach ihrer Erfindung nicht weiter perfektionierbar waren, wie das Trinkglas, der Löffel, der Hammer. Als Philippe Starck die Form der Zitronenpresse ändern wollte, produzierte er ein wunderschönes Objekt, das jedoch die Kerne ins Glas fallen läßt, während die klassische Zitronenpresse sie mit dem Frucht-fleisch zurückhält.
    Während das 20. Jahrhundert langsam zu Ende geht,
    können wir uns einmal fragen, ob wir in den letzten hundert Jahren wirklich so viel Neues erfunden haben. Alles, was wir täglich benutzen, ist im 19. Jahrhundert erfunden worden. Hier nur einiges: die Eisenbahn (aber die
    Dampfmaschine stammt schon aus dem 18. Jahrhundert), das Auto (mit der Ölindustrie, die es voraussetzt), die Dampfschiffe mit Schraubenantrieb, der Stahlbetonbau und die Wolkenkratzer, die U-Bahn, das U-Boot, der Dy-namo, die Turbine, der Dieselmotor, das Flugzeug (das ausschlaggebende Experiment der Gebrüder Wright fand drei Jahre nach der Jahrhundertwende statt), die Schreib-maschine, das Grammophon, das Diktaphon, die Nähmaschine, der Kühlschrank und die Dosennahrung, die pa-steurisierte Milch, das Feuerzeug (und die Zigarette), das Zylinderschloß von Yale, der Fahrstuhl, die

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