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Derrick oder die Leidenschaft für das Mittelmaß

Derrick oder die Leidenschaft für das Mittelmaß

Titel: Derrick oder die Leidenschaft für das Mittelmaß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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und gab mir die ersten 100. Die Anarchie des Internet führt da-zu, daß man nie wissen kann, welche Adressen die interessanten und welche die blöden sind. Ich las vielverspre-chende Titel wie »Die Gärten der Lust«, »Bilder nur für Erwachsene«, »Arrgghhhh, nackte Frauen!!«, »Die Sex-göttinnen der westlichen Hemisphäre«, aber meistens geriet ich an Orte, wo mir leckere Bilder nur dann verspro-chen wurden, wenn ich zuvor eine Überweisung tätigte.
    Unverzagt weiterklickend gelangte ich schließlich zu
    »Kramer’s Korner-Erotica«, von wo aus ich mich mit
    »Supermodels«, mit »Very Hot Links«, erneut mit Pent-121
    house und Playboy sowie mit »Babes on the Web« in Verbindung setzen konnte. Ich wählte »Supermodels«, und da lieferte mir dieser Mr. Kramer Fotos (bekleidet) und Informationen über eine Reihe von Models, die ihm sympathisch sind. Ich klickte auf Cindy Crawford und erfuhr alles über sie, aber ungefähr so, als hätte ich mir ein Heft von La famiglia cristiana gekauft.
    Enttäuscht versuchte ich es mit »Very Hot Links«, von wo aus ich wieder auf Playboy verwiesen wurde sowie auf ein Western Canada’s Gay and Lesbian Magazine , das mir jedoch sofort zu verstehen gab, ich dürfe nicht erwarten, darin irgendwelche Bilder zu finden. So wechselte ich zu »Babes on the Web«, wo mir die Adressen von fünfzig
    »Babes« angeboten wurden (das Wort kann auch Puppe heißen), jede mit ihrer eigenen Homepage und einige mit faszinierenden Namen wie Chok-Eng Cheng. Na also,
    dachte ich, sehen wir doch mal, was diese Puppen zu bieten haben.
    Fast wahllos klickte ich auf Jennifer Amon. Es erschien Jennifers Seite mit ihrem Foto (nur der Kopf); sie war nicht abstoßend, aber auch keine Bombe. Eine normale Frau, die mir mitteilte, daß sie Programmanalytikerin an dem höchst seriösen Oberlin College sei, wonach sie mir weitere detaillierte Auskünfte über ihre beruflichen Quali-fikationen gab. Sie begann mit der Information, daß ihre Siamkatze kürzlich am 15. August um zwanzig nach zwölf gestorben sei, und am Ende bat sie mich, falls ich durch UD zu ihrer Seite gelangt sei, einen gewissen Joe Lang zu grüßen. Von Sex keine Spur. Jennifer macht entweder Re-klame für sich selbst, oder sie fühlt sich einsam und möch-te mit jemandem kommunizieren.
    Aber was treibt denn dieser Kramer da für ein Spiel? Ich kehre zu ihm zurück und klicke auf seine Biographie. Ich erfahre, daß er 28 Jahre alt ist, in Boston studiert hat, in 122
    Jersey City in einer Bank arbeitet und sich in der Freizeit als Berater für die Einrichtung von Webseiten anbietet, al-so für das, was ich gerade sehe. Um mögliche Kunden zu locken, offeriert er Verbindungen mit erotischen Seiten, ein paar überaus keusche Fotos von schönen Mädchen, und animiert zur Begegnung mit Girls und Dolls, die keine Puppen, sondern höchst sittsame Damen sind.
    Verzweifelt kehre ich zur anfänglichen Liste der Hundert Heißen Adressen zurück und finde etwas, das mich vom Stuhl aufspringen läßt. Ein gewisser Dan Moulding erklärt mir, wenn ich Busen, Genitalien oder andere Teile des weiblichen Körpers sehen wolle, superpornographisches Material in rauhen Mengen und in einer Deutlichkeit, wie sie noch nie auf einem Computerbildschirm erreicht worden sei, dann läge ich bei ihm richtig. Eilends klicke ich auf OK, und es erscheint eine Message, die mir sagt, daß ich ein großer Schmutzfink sei und mich schämen solle.
    Dan Moulding ist ein strenger Moralist aus Utah (also vielleicht ein Mormone), der mir in einem langen Text zunächst Vorwürfe macht, weil ich, indem ich im Internet Pornobilder suche oder verbreite, die Leitungen verstopfe.
    Sodann erklärt er mir, daß ich, wenn ich Sex im Computer suche, ein kranker Mensch sein müsse, der keine Freunde
    – geschweige denn Freundinnen – habe, ob ich denn keine Verwandten hätte, die mir lieb und teuer seien, ich solle doch bedenken, daß meine Großmutter, wenn sie wüßte, was ich da triebe, an plötzlicher Arterienerweiterung sterben könnte. Am Ende (nachdem er mir nahegelegt hat, mich bußfertig einem Priester, einem Rabbiner oder einem Pastor anzuvertrauen) gibt er mir eine Liste von Adressen (im Internet), bei denen ich moralische Hilfe finden könne, einschließlich der eines auf die Rehabilita-tion von Pornofreaks wie ich spezialisierten Dienstes (http://www.stolaf.edu/people/bierlein/noxxx/noxxx.html).
    123
    Er schließt: Schreiben Sie mir ([email protected].
    edu), und ich gebe

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