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Des Abends eisige Stille

Des Abends eisige Stille

Titel: Des Abends eisige Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hill
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Alfredo wischte weiter die Glasregale der Kuchenvitrine aus.
    »Hast du gesehen, was hier heute los war? Ich bin bald verrückt geworden. Und ich bin ganz allein.«
    »Wieso? Dachte, du hättest jede Menge Familie.«
    »Jetzt nicht mehr so viele, und Maria musste nach Hause, ihre Schwester ist im Krankenhaus mit irgendwelchen ernsten Schwangerschaftsproblemen.«
    »Es gibt also einen Job?«
    »Ja, wirklich.«
    »Was müsste ich tun?«
    »Alles … alles Mögliche … hinter dem Tresen, in der Küche.«
    »Und für wie lange?«
    »Keine Ahnung. Eine Woche, einen Monat, zehn Jahre.«
    »Das einzige Problem ist, ich müsste sauber sein, anständig aussehen.«
    »Du siehst doch ordentlich aus, Andy.«
    »Nicht mehr, wenn ich zwei Nächte auf einer Bank geschlafen hab.«
    Fredo hörte auf mit dem Wischen. »Sie hat dich wirklich rausgeworfen.«
    »Nicht, dass mir das was ausmacht. Blut ist eben doch nicht dicker als Wasser.«
    »Klar ist es das.« Er drehte sich zur Spüle um und wusch das Tuch aus.
    Die Frau aß ihr Scone auf und ging.
    »Oben gibt es zwei Zimmer. Vollgestellt mit altem Krempel, hat seit Jahren keiner mehr gewohnt … keine Möbel, Küche ist in einem miesen Zustand. Nichts ist angeschaltet.«
    »Du meinst, die gehören zum Job.«
    Alfredo sah ihn fest an. »Nicht ganz. Du könntest volle Bezahlung kriegen und auf einer Bank schlafen, oder halbe Bezahlung und die Zimmer. Ich kann die rasch ausräumen, und irgendwo gibt es immer Möbel.«
    »Ach ja?«
    »Keine Wanne. Nur ein Waschbecken.«
    »Das macht mir nichts. Du vergisst, wo ich war, Fredo.«
    »Und kein Carter. Kein Ärger.«
    »Nein.«
    Eine Pause trat ein. Alfredo schwieg, musterte ihn weiter abwägend. Dann beugte er sich über den Tresen und streckte die Hand aus. Andy ergriff sie.
    »Für heute Nacht kommst du besser mit zu mir nach Hause.«
    »Danke, Fredo«, sagte Andy. Das schien zu genügen.

[home]
    58
    E inmal hatten sie ihr erlaubt, den Hund auszuführen, nur die Straße hinunter und zurück. Später war sie in den Garten gegangen und hatte mit ihm gespielt, hatte einen Ball für ihn geworfen. Als sie nach Hause gekommen war, hatte sie gefragt, ob sie einen Hund haben dürfte. »Einen wie den. Das ist ein Labrador. Ich mag ihn.«
    »Wir sind völlig ausgelastet, wir arbeiten beide, es wäre nicht fair, einen Hund zu halten, vor allem keinen wie den, und du würdest bald das Interesse daran verlieren, mit ihm Gassi zu gehen.«
    »Versuch’s mit einem Hamster«, hatte ihr Vater gesagt. »Vielleicht eines Tages eine Katze? Ich werde darüber nachdenken.«
    »Von Katzen muss ich niesen«, hatte David gesagt.
    Also hatte es keinen Hund gegeben, keine Katze, und der Hamster war in Vergessenheit geraten.
    Danach war sie ein paarmal hinübergegangen, hatte gefragt, ob sie den Hund sehen dürfte, und sie hatten sie hereingelassen. Er hieß Archie und schlief nicht im Haus, sondern in einer großen Werkstatt hinten im Garten. Die Frau, Mrs. Price, hatte sie mit dorthin genommen, wenn sie Archie für seinen Spaziergang holte. Ihr gefiel die Werkstatt. Es gab Regale, Holzwerkzeug, eine Werkbank, einen Hocker und eine Leiter zum Dachboden, der ein Fenster hatte und in dem eine Couch stand, bedeckt mit einem alten Quilt. Die Werkstatt gehörte dem Sohn der Prices, der sie benutzte, wenn er nach Hause kam, was er jetzt nur noch selten tat. Er war bei der Luftwaffe und diente in Übersee, flog Tornados, hatte seine Mutter gesagt. »Ich darf gar nicht daran denken.«
    An den Wänden der Werkstatt hingen Poster von Flugzeugen und welche von den
Simpsons
. Auf dem Dachboden stand ein Radio, daneben lag ein Stapel Flugzeugzeitschriften. Eindeutig eine Jungsbude. Aber sie gefiel ihr wegen Archie, und die Vorstellung, eine ganze Hütte samt Dachboden für sich zu haben, begeisterte sie. Sie hatte daran gedacht, es beim Heimkommen zu erwähnen, tat es aber dann doch nicht. Sie hatte überlegt, sich so etwas zu Weihnachten zu wünschen, aber dabei war es geblieben – ein Gedanke, den sie schnell wieder verdrängt hatte.
    All das war
davor
gewesen. Seitdem war sie nicht mehr zu den Prices gegangen. Sie war nirgendwo hingegangen. Aber dann, als sie im Dunkeln an der Tür gestanden hatte, zum Ende der Einfahrt und zum Torpfosten schaute, hatte sie versucht, an etwas Gutes zu denken, und das war ihr gelungen.
    Danach war alles andere leicht.

[home]
    59
    W as ist nur los, Chris … Was soll das? Warum ist die Welt verrückt geworden … Warum hört das

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