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Des Abends eisige Stille

Des Abends eisige Stille

Titel: Des Abends eisige Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hill
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gemeint.«
    »Ich steig nirgends ein.«
    »Ich spendier dir einen Drink.«
    »Hab gerade was getrunken. Zwei Flaschen affiges Bier. Die geben dir da nicht mal ein Glas, wusstest du das?«
    Lee Carter ließ ihn genauso schnell los, wie er ihn gegen die Mauer gedrückt hatte. Er brüllte vor Lachen.
    Andy starrte ihn an, musterte ihn kritisch. Lee war dicker geworden. Auf schicke Art dicker. Sein Haar hatte einen modischen Schnitt. Sein Hemd und seine Jacke waren elegant. Er sah gut aus. Gut betucht.
    »Ich nehm dich mit zu mir, geb dir was Anständiges zu trinken.«
    »Warum musste ich dir in die Arme laufen?«
    »Bist du nicht. Ich hab auf dich gewartet. Ich wusste, dass du bei Michelle bist.«
    »Wer hat dir das gesagt? Sie bestimmt nicht.«
    »Natürlich nicht. Das war gar nicht nötig. Also, steigst du ein?«
    »Nicht, bevor ich nicht weiß, warum.«
    »Will dich nur was fragen.«
    »Tja, ich bin nicht interessiert.«
    Lee ging zum Auto zurück, zog aber, bevor er die Tür öffnete, ein Päckchen Zigarillos heraus und bot es Andy an.
    »Ich rauch nicht.«
    »Warst ja schon immer so ein Tugendbold.«
    »Wenn ich das gewesen wäre, dann wär ich nicht da gelandet, wo ich war.«
    Lee zündete das Zigarillo an und sah dem Rauch nach, den er ausblies. »Hör zu, ich will nichts Besonderes, bloß mal ein bisschen quatschen.«
    »Ach ja, über alte Zeiten und so.«
    »Nein. Die alten Zeiten sind vorbei. Neue Zeiten.«
    »Was meinst du damit?«
    »Ich könnt dir was besorgen.«
    »Nein danke.«
    »Nichts Gesetzwidriges. Damit bin ich durch. Sieht man mir das nicht an?«
    Andy betrachtete die Lederjacke, die gut geschnittene Hose. Das Zigarillo. Das Auto. »Eigentlich nicht«, sagte er.
    »Komm mit in mein neues Haus. Lern meine Frau kennen.«
    »Wer hat dich denn geheiratet?«
    »Komm mit und find’s raus.«
    Andy hatte nie wieder etwas mit denen zu tun haben wollen und vor allem nicht mit Lee Carter, aber er war neugierig, er konnte nicht anders, er wollte das Haus sehen, die Ehefrau, auch wenn er den Vorschlag nicht hören wollte.
    »Ach, mach doch, was du willst«, sagte Lee Carter und knallte die Fahrertür zu.
    Ein Sekundenbruchteil. Du steigst nicht ein, befahl sich Andy.
    Er stieg ein.
    Das Auto war ein Topmodell und mit allem ausgestattet. Aus dem CD -Spieler ertönte ausgerechnet Dusty Springfield in voller Lautstärke. Lee Carter bog schnell und großspurig auf die Flixton Road ein. Andy schwieg. Er wäre sowieso nicht zu hören gewesen. Der Wind brannte in seinen Augen. Er war verängstigt, weil er so lange in keinem schnelleren Fahrzeug als dem Gefängnislieferwagen gesessen hatte.
    Sie rasten aus Lafferton hinaus und bogen fünf Meilen später nach Lunn Mawby ab, das Andy als ein halbes Dutzend Häuser und eine Tankstelle in Erinnerung hatte.
    »Ach, du meine Fresse.«
    Es war kein Dorf mehr, sondern eine Ansammlung einzeln stehender Privathäuser im Tudorstil mit schmiedeeisernen Gittern und gepflegten Rasenflächen.
    Sie fuhren um zwei Kurven und einen Hang hinauf. Oben standen nur drei Häuser. Wieder im Tudorstil. Verschnörkelte Schornsteine. Große Bäume dahinter.
    Vor dem Tor drückte Lee auf einen Knopf am Steuer, dann auf einen weiteren Knopf, und der Springbrunnen inmitten des leuchtend grünen Rasens erwachte zum Leben.
    »Mannomann.«
    Lee grinste und ließ das Auto ausrollen.
    »Hat was, oder?«, fragte er und bedeutete Andy, ihm zu folgen, während er zur Eingangstür stolzierte.
     
    Eine Viertelstunde später war die Führung beendet. In jedem Raum hatte Lee ihn nach Anzeichen von Anerkennung, Bewunderung und Neid gemustert. Andy hatte das alles unterdrückt, hatte nur genickt, das Billardzimmer, den Fitnessraum, die Bar, die dicken Teppiche, den Plasmafernseher, die raumfüllenden, verspiegelten Kleiderschränke, den Wintergarten, die altenglische Einbauküche aus Eiche in sich aufgenommen.
    Dort standen sie jetzt, Lee an der offenen Tür eines ein Meter achtzig hohen Kühlschranks.
    »Bier?«
    »Nein danke.«
    »Espresso. Wir haben eine Maschine. Lydia kann das besser als ich.«
    Lydia war nicht aufgetaucht.
    »Sie wird im Wellnesszentrum sein.«
    »Warum bin ich hier?«
    »Dann lieber Tee? Komm, ich mach uns welchen.« Lee knallte die Tür des riesigen Kühlschranks zu und griff nach dem elektrischen Kessel. »Setz dich.«
    Es kam ihm kindisch vor, das nicht zu tun.
    »Alles ganz legal.«
    »Na klar.«
    »Ich hab’s dir doch gesagt. Ich bin nicht blöd. Ich war blöd, doch jetzt nicht

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