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Des Abends eisige Stille

Des Abends eisige Stille

Titel: Des Abends eisige Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hill
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sich aufsteigen spüren wie Schaum in seinem Mund, der nur darauf wartete, über dieses ganze Büro mit den gelben Vorhängen zu schäumen, über Miss Langbein.
    Er war aufgestanden.
    »Versuchen Sie, eine positive Einstellung zu haben, Andy.«
     
    Gartenzentrum, hatte sie gesagt. Er konnte sich nichts darunter vorstellen, und als sie Kingswood gesagt hatte, wusste er nicht, wo das war.
    Aber es könnte ein Anfang sein. Zwei Jahre lang hatte er darauf gewartet – er mochte solche Worte wie »neu« und »frisch« nicht, aber sie waren in seinem Kopf. Er würde nicht dorthin zurückkehren, von wo er gekommen war, würde nicht die alte Richtung einschlagen, die ihn dahin gebracht hatte. Es hatte ihm nie viel bedeutet, obwohl er so getan hatte, vielleicht ein paar Höhepunkte, ein wenig Tempo, eine Flucht, wenn er auch nicht wusste, wovor. Vor der Langeweile, nahm er an. Und er hatte es genossen, einer von ihnen zu sein. Spindo. Mart. Lee Carter. Lee Johnson. Flapper. Sie hatten ihn aufgenommen, und darauf war es angekommen. Auch gegen das Geld hatte er nichts gehabt. Alles war gut gelaufen. Sie hatten kleinere Dinger gedreht, dann größere.
    Er war nicht drauf vorbereitet gewesen, dass alles so schnell schiefging. Der Mann war wie ein Wahnsinniger hinter ihm hergerannt, die Straße entlang; die anderen hatten im Van gesessen, mit laufendem Motor, hatten ihm zugebrüllt. Der Mann hatte überhaupt nichts damit zu tun gehabt. Andy hätte sich nicht um ihn kümmern, hätte rennen und in den Van springen sollen. Er sah es immer noch vor sich, die Straße, der Van, der Mann aufgeregt und schwitzend, wie er hinter ihm herkeuchte, um ihn zu erwischen, und die Panik war nach wie vor da. Er geriet zu schnell in Panik. Er hätte einen kühlen Kopf bewahren sollen; selbst wenn man ihn erwischt und der Mann ihn identifiziert hätte, wären dabei nur neun Monate oder ein Jahr rausgekommen. Und was hatte er getan, statt in den Van zu springen? Er hatte sich umgedreht, hatte gewartet, bis der Mann ihn erreichte, und ihm dann den Kopf in den Bauch gerammt wie ein Stier, und der Mann war rückwärts auf den Beton geknallt und hatte sich den Schädel gebrochen.
     
    Andy holte sich noch eine Flasche von dem teuren ausländischen Bier, ging zurück zum Tisch und zwang sich, nicht mehr daran zu denken. Sein Rücken tat weh. Auf dem Feldbett in Matts Zimmer zu schlafen, war unbequem, und Matt wollte ihn nicht dahaben. Andy konnte es ihm nicht verdenken. Keiner von ihnen wollte ihn haben, und er wusste es, aber bis er einen Job hatte, konnte er sich keine eigene Wohnung leisten, nicht einmal ein Zimmer in einer Pension; dafür würde sein Geld nicht reichen, und solange er Familie hatte, die ihn bei sich aufnahm, würde er beim Sozialamt nichts erreichen. Er lag nicht auf der Straße, das war alles, was die sahen.
    Ich sollte glücklich sein, dachte er plötzlich, trank einen großen Schluck Bier. Ich sitze in einem Pub, kann bleiben oder gehen, kann trinken, was ich will, kann abhauen oder rumlaufen oder mir eine Zeitung kaufen. All das konnte ich jahrelang nicht … Ich sollte glücklich sein.
    Drei Frauen kamen in die Bar und stellten Einkaufstüten am Tisch neben ihm ab. Sie sahen schick aus. Eine warf ihm einen Blick zu. Sonst nichts.
    Ihr habt keine Ahnung, dachte Andy. Wer ich bin. Wo ich gewesen bin. Was ich getan habe. Woher solltet ihr auch?
    Der letzte Schluck aus der Flasche bestand nur noch aus Schaum. Er ging hinaus auf die Straße.
    Auf der anderen Straßenseite parkte ein silbernes BMW Kabrio in zweiter Reihe. Hinter dem Steuer saß ein großer Mann. Als Andy aus dem Pub kam, wendete das Auto und glitt fast geräuschlos neben ihn.
    »Steig ein«, sagte Lee Carter.
    Andy ging weiter.
    Das Auto rollte neben ihm her, hielt Andys Tempo. Komisch, dachte er, im März das Verdeck offen zu haben. Es war zwar sonnig, aber nicht warm.
    »Was hast du denn?« Das Motorengeräusch war so leise, dass Lee kaum die Stimme heben musste. Andy war von der Einkaufsstraße in eine Seitenstraße abgebogen. Er wusste nicht, wohin er ging.
    »Lauf dir doch nicht die Schuhsohlen durch. Ist sehr gemütlich hier drin. Ledersitze.«
    Geh einfach weiter. Beachte ihn nicht.
    Er bedeutet dir nichts mehr. Geh weiter.
    Es passierte so schnell, dass er nichts machen konnte. Das Auto hielt an, und Lee Carter war herausgesprungen, um die Haube herumgesprintet und drückte Andy gegen die Mauer.
    »Ich hab gesagt, steig ein. Das hab ich ernst

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