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Des Abends eisige Stille

Des Abends eisige Stille

Titel: Des Abends eisige Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hill
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während sie noch lebte –, hatte sie aber attraktiv gefunden, faszinierend und hatte ihre Gesellschaft genossen. Vielleicht hätte er sie geliebt, wenn sich die Dinge weiterentwickelt hätten. Ihre Gefühle für ihn waren an dem Abend, als sie spontan bei Simons Lieblingsitaliener zum Essen gegangen waren, durchaus deutlich gewesen, nicht in dem, was sie gesagt hatte – dafür war sie viel zu vorsichtig gewesen –, sondern in der Art, wie sie ihn angeschaut hatte.
    Aber die Dinge hatten sich nicht weiterentwickelt. Freya Graffham war ermordet worden. In ihrem eigenen Haus. Dem Haus, dem sich Simon jetzt näherte. Es war ein kleines viktorianisches Handwerkercottage in einer Reihe mit anderen, das in einem Karree zwölf gleichartiger, »die Apostel« genannter Straßen lag, weil sie nicht weit von der Kathedrale entfernt waren. Erst nach dem Mord an Freya war er zum ersten Mal in dem Haus gewesen. Er hatte keine Erinnerungen daran, die nicht furchtbar waren. Die Eingangstür war neu gestrichen worden. Früher war sie kastanienbraun gewesen, jetzt marineblau. An den Fenstern hingen halbgeschlossene, neue Jalousien. Das Tor war fort. Simon hielt auf der anderen Straßenseite. Niemand war zu sehen. Er verstand nicht, warum er hier war. Aber als er wegfuhr, senkte sich ein bleiernes Gefühl auf seinen Magen, und der vor ihm liegende Tag war getrübt.
     
    »Guten Morgen, Sergeant.«
    DS Nathan Coates schaute über seine Schulter und stützte die Hand ab, in der er zwei aufeinandergestellte Pappbecher mit Kaffee trug, als der DCI an ihm vorbei und die Treppe hinaufging. »Chef? Ich dachte, Sie kämen erst morgen zurück.«
    »Planänderung.«
    Die Tür schwang hinter Serrailler zu.
    Nathan verschob die Becher ein wenig. Er lächelte. Er lächelte fast immer, wenn der DCI oder sonst jemand ihn mit Sergeant ansprach. Seine offizielle Beförderung zum Detective Sergeant lag schon über sechs Monate zurück, aber er hatte sich immer noch nicht daran gewöhnt, musste sich nach wie vor vergewissern, dass man ihn nicht auf den Arm nahm. Er hatte die Beförderung gewollt und sie doch nicht gewollt, weil es bedeutete, in die Schuhe von Freya Graffham zu schlüpfen. Und der DCI hatte genau gewusst, welche Knöpfe er drücken musste.
    »Ihre Herkunft hat es Ihnen nicht leichtgemacht, Nathan. Sie hätten genauso gut denselben Weg einschlagen können wie die Hälfte Ihrer Schulkameraden, und wie viele Jahre säßen Sie dann schon auf Kosten Ihrer Majestät im Gefängnis? Sie haben den anderen Weg gewählt, und erzählen Sie mir nicht, dass es leicht war. Werden Sie dort, wo Sie herkommen, überhaupt noch anerkannt? Ich bezweifle es. Bullen sind in Sozialbausiedlungen wie den Dulcie Estates nicht gerade beliebt, besonders wenn der Bulle einer der ihren ist. Sie stehen jetzt für alles, gegen das Sie sein sollten, und Sie sind genau die Art von Polizist, die wir wollen. Die Polizei sollte ein Spiegel der Gesellschaft sein, die sie kontrolliert, was fast nie der Fall ist, deswegen ist es so wichtig, dass Sie bleiben und die Leiter weiter hinaufsteigen. Sie sind jung, Sie sind klug, Sie arbeiten wie besessen, und DS Graffham hatte eine hohe Meinung von Ihnen. Was würde sie wohl sagen, wenn Sie jetzt kneifen?«
    »Das ist unter der Gürtellinie, Chef.«
    »Manchmal muss man solche Schläge austeilen. Kommen Sie, Nathan, machen Sie die Augen auf. Es hat Sie getroffen. Es hat uns alle getroffen. Das war eine schreckliche Sache. Ich hätte nie gedacht, dass wir es an einem Ort wie Lafferton mit einem Serienmörder zu tun bekämen … Drogen, Raubüberfälle, Vergewaltigungen, Einbrüche, all das nimmt zu, selbst in einer netten, kleinen, ehrbaren englischen Kathedralenstadt. Aber mehrfacher Mord? Wir könnten vielleicht noch einen Schusswechsel im Verlauf eines Einsatzes verkraften … eine Razzia … eine Panik … ein toter Polizist. Damit wären wir fertig geworden, aber nicht mit Freyas Mord. Und Sie waren als Erster da, mussten mit alldem zurechtkommen, und Sie geben sich die Schuld, glauben Sie nicht, dass mir das nicht bewusst ist. Sie bräuchten es nicht, aber Sie tun es und werden es wahrscheinlich immer tun. Doch nichts davon ist ein Grund, Ihren Beruf aufzugeben. Es ist ein guter Grund, zu bleiben. Haben Sie mich verstanden?«
    Das hatte Nathan, aber er hatte weitere vierzehn Tage gebraucht, um es zuzugeben. Emma und er hatten in aller Stille in einer Seitenkapelle der Kathedrale geheiratet, mit dem DCI als Trauzeugen,

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