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Des Abends eisige Stille

Des Abends eisige Stille

Titel: Des Abends eisige Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hill
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    12
    W ie hieß es noch genau? »Nie war der Frühling frühlingshafter, nie das Blühende blütenreicher.« Und wer hatte das gesagt?
    Karin McCafferty stand auf dem Parkplatz des Kreiskrankenhauses Bevham, sah zum grauen Himmel hinauf – ein zauberhaftes, weiches Möwenschwingengrau – und empfand den Ostwind als kühl und angenehm auf dem Gesicht. Neben ihrem Auto stand ein kleiner kahler Baum an einer kurzen gedrungenen Weißdornhecke. Staunend betrachtete sie die Baumrinde und deren Farbe. So viele Schattierungen von Braun und Schwarz, Silber und Moosgrün. Der Weißdorn wirkte wie eine verschlungene Bleistiftkritzelei.
    Vor zehn Minuten hatte sie wartend mit trockenem Mund vor ihrer freundlichen, rothaarigen irischen Onkologin gesessen, die in den Unterlagen und Berichten gelesen, aufgeblickt, die Papiere ordentlich zusammengelegt und die Krankenakte geschlossen hatte.
    Und dann hatte sie gelächelt. »Alles in Ordnung, Karen«, hatte sie gesagt. »Blitzsauber. Keine neuen Krebszellen und nichts mehr übrig von den alten.«
    Sie würde sich nicht daran gewöhnen, würde diese Worte nie für endgültig halten und doch jedes Mal das Gefühl haben, als sei die ganze Welt von einem triumphierenden Glanz erfüllt, wenn sie aus dem Krankenhaus ins Tageslicht und die frische Luft hinaustrat. Aber sie würde auch nie vor ihrer Ärztin triumphieren, weil sie deren schulmedizinische Behandlung abgelehnt und sich für natürliche Therapien entschieden hatte. Sie hatten einen kurzen, scharfen Streit gehabt, Karin hatte nicht nachgegeben, die Onkologin hatte ihr sehr deutlich die Meinung gesagt und dann zugestimmt, sie als Patientin zu behalten und ihre Fortschritte zu überwachen. Im Gegenzug hatte Karin sich einverstanden erklärt, sich ernsthaft mit den konservativen medizinischen Möglichkeiten auseinanderzusetzen, sollte der Krebs zurückkehren. Aber bisher war er nicht zurückgekehrt.
    Sich an ihre eigene Methode alternativer Behandlungen zu halten, war nicht leicht gewesen. Es war zeitaufwendig, teuer und einsam, und für Karin war es ein furchtbarer Schlag gewesen, als sich herausgestellt hatte, dass ihr Akupunkteur, bei dem sie in Behandlung gewesen war, ein psychopathischer Serienmörder war.
    Aber jetzt, während sie einen im Staub hüpfenden Sperling beobachtete, entzückt über den Glanz auf seinen Flügeln und das Leuchten in seinen Augen, gehörte der Horror des vergangenen Jahres zu einem anderen Leben. Sie war gesund, brauchte erst in einem halben Jahr wieder ins Krankenhaus zu kommen. Sie war gesund!
    »Dennis Potter«, sagte sie laut. Sie hatte
The Singing Detective
sehr gemocht. Dennis Potter hatte kein solches Glück gehabt. Der Krebs hatte ihn getötet, doch zuvor hatte er noch die Schönheit seines letzten Frühlings beschrieben. »Nie war das Blühende blütenreicher.«
    Karin rief Cat Deerborn von ihrem Handy an, aber es meldete sich der Anrufbeantworter. Sie hinterließ eine kurze und jubelnde Nachricht und machte sich auf den Heimweg, von einer Eva-Cassidy- CD beim Fahren zu Tränen gerührt – Eva Cassidy, die durch den Krebs, den Karin besiegt hatte, in die Dunkelheit des Todes gefallen war.
    Somewhere, over the rainbow …
    Karin bremste an einer Kreuzung, um einen Lastwagen vorbeizulassen.
     
    Mikes Auto stand in der Einfahrt. Aber Mike sollte geschäftlich in Irland sein und erst in zwei Tagen zurückkommen.
    Karin segelte summend ins Haus. »Mike? Wo bist du?«
    Seine Stimme kam von oben. »Hier.«
    Sie lief hinauf. Sie liebte ihr Haus. Sie liebte das weiß gestrichene, gebogene Geländer und die türkisfarbene Schale auf dem Fensterbrett im ersten Stock. Sie liebte den Lichtstreifen, der durch die offene Schlafzimmertür auf den Kelimläufer fiel. Sie liebte den schwachen Zitronengeruch, der aus der halboffenen Badezimmertür drang.
    »Hallo. Ich hab gute Neuigkeiten … die besten.« Sie trat ein, und ihr Summen wurde zu Singen, als sie zu Mike ging, um ihn zu umarmen. Er stand neben dem Kleiderschrank und zwei geöffneten Koffern, einer auf dem Bett, der andere auf dem Boden.
    »He … was machst du da? Sieht aus, als würdest du packen und nicht dreckige Wäsche ausräumen.«
    »Ja.«
    »Du fährst doch nicht schon wieder weg? Nicht sofort?«
    »Doch.«
    Er kehrte ihr den Rücken zu und fuhr mit der Hand durch die Krawatten am Halter, zog eine heraus, machte weiter, zog eine weitere heraus.
    »Wohin diesmal?«
    Er

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