Des Abends eisige Stille
Kinder unterwegs sind.«
»Ja, aber die meisten sind zu mehreren, wenn sie zum Bus gehen, sie steigen in Autos oder steigen aus, wo viele Leute sind. Das sind Stoßzeiten.«
»Dann muss ich erst Hausaufgaben machen. Erkundigungen einziehen.«
»Gut, Sie kennen also die Straßen, wo Kinder eher alleine langgehen. Oder alleine warten.«
»Sie glauben, das ist sorgfältig geplant worden?«
»Vielleicht.« Simon Serrailler trank seinen Kaffee aus. »Die Mutter. Sie hat nicht das gesagt, womit man rechnen würde. Hat sich nicht die Schuld daran gegeben, dass sie ihn allein hat warten lassen.«
»Also hat sie das auch sonst so gemacht?«
»Zumindest oft genug. Sie sagte, sie hätte an diesem Morgen ins Gericht müssen, also hat sie David an Gerichtstagen und wenn sie nicht mit der Schulfahrt dran war vielleicht generell an der Einfahrt warten lassen.«
»Einen Neunjährigen?«
»Na ja, es war schon hell, die Straße ist befahren, der Abholer würde pünktlich und verlässlich sein … Ich bin mir nicht sicher, ob wir dem zu große Bedeutung beimessen sollten.«
»Jemand wusste einfach, wann, an welchem Tag, zu welcher Zeit.«
»Oder wir liegen weit daneben. Ich wollte das mit Ihnen durchkauen, denn wenn wir zurück aufs Revier kommen – außer, David ist gefunden worden –, wird die Hölle los sein. Fernsehen und Presse werden landesweit berichten, die Anrufe werden hereinströmen. Bestellen Sie mir noch eins von diesen Brötchen, ja? Wir sollten essen, solange wir können.«
Auf dem Weg zum Auto blieb Simon an der Bank unter der großen Eiche stehen.
»In Erinnerung an Archie und May Dormer. Sie haben hier gern gesessen.«
»Friedlich. Auf unserer nächsten Fahrradtour bring ich Em hierher. Sie möchte in einem Ort wie diesem wohnen. Wenn Träume wahr würden.«
»Man weiß nie. Halten Sie Ausschau nach einem Cottage, so einem wie die da drüben.«
»Archie und May werden eins davon gehabt haben. Damals ging das. Wir haben keine Chance, die kosten jetzt mindestens zweihunderttausend.«
»Geben Sie nicht auf. Man weiß nie. Kommen Sie, Nathan, wo ist Ihre Fröhlichkeit?«
»Da, wo der Junge ist«, sagte Nathan und ließ den Motor an.
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14
D ie kleine englische Kathedralenstadt Lafferton befindet sich nach dem Verschwinden des neunjährigen Schuljungen David Angus im Schockzustand … Es ist ein Schlag für diesen Ort, der sich von den Morden des letzten Jahres noch immer nicht erholt hat. David Angus, Sohn eines Neurochirurgen und einer Anwältin, wurde zum letzten Mal gesehen …«
»Verdammt, jetzt sind Kinder noch nicht mal mehr an ihrem eigenen Gartentor sicher …«
»Hab’s in den Ein-Uhr-Nachrichten gehört. Die haben ihn also noch nicht gefunden?«
Michelle Tait schnitt eine Packung mit Tiefkühlpizzen auf und schaltete den Gasherd an. »Wird irgendwo in einem Graben liegen, wie das kleine Mädchen unten in Kent.«
»Vielleicht ist er einfach abgehauen. Zu einem Freund.«
»Red doch keinen Stuss.«
»Ich hab das dauernd gemacht.«
»Ja, du. So einer ist der nicht. Nette Familie, Privatschule, schickes Haus … Die machen so was nicht.«
»Warum soll er deshalb anders als andere Neunjährige sein?«
»Benutz dein Hirn. Willst du eine Pizza?«
Das Angebot klang widerwillig.
»Nein, ich ess später was im Ox.«
»Hast wohl genug Geld zum Versaufen, ja?«
»Was, zwei Halbe?«
»Warst du noch mal bei der Jobvermittlung?«
»Ja. Und ich schau auch in der Zeitung.«
»Gibt jede Menge Jobs … Siehst du, jede Menge …«
»Ja, ja.«
»Kannst dir nicht leisten, wählerisch zu sein.«
»Ich hab eine Ausbildung. Ich räum keine Supermarktregale ein.«
»Ausbildung. So, so.«
»Ja, Ausbildung, was mehr ist, als die meisten Leute hier in der Gegend von sich sagen können.«
»Ooooooh. Dann kannst du ja froh sein, dass du mich und Pete ›hier in der Gegend‹ hast, was?«
»Du willst, dass ich verschwinde? Gut. Ich hau ab.«
»Wohin?«
»Zu jemand, den ich kenne.«
»Und die Erde ist eine Scheibe.«
»Erinnerst du dich an Lee Carter?«
Michelle setzte sich ihm gegenüber an den Küchentisch und zündete sich eine Zigarette an. »Ist das dein Ernst?«
»Bin ihm auf der Straße begegnet. Fährt ein BMW Kabrio.«
»Was denn sonst. Du bist wegen Leuten wie Lee Carter für viereinhalb Jahre in den Bau gegangen. Bist du völlig durchgeknallt?«
»Er macht nichts Illegales. Verdient ein Vermögen.«
»Klar doch.«
»Ich könnte für ihn arbeiten, kein
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