Des Abends eisige Stille
Problem.«
»Kohl pflanzen?«
»Er hat ein Geschäft … eine Art Exklusivclub.«
Michelle warf ihm einen Blick zu, bei dem Milch sauer geworden wäre.
»Nicht, was du denkst.« Andy hörte seine Stimme, wie er da über Lee Carter sprach, rechtfertigend, abwehrend. Seine Schwester hatte natürlich recht. Was zum Teufel dachte er sich dabei?
Nur war da wirklich etwas dran. Er hatte viel darüber nachgedacht, seit ihn Lee mit in sein Haus genommen hatte – damit angegeben, ihm erzählt hatte, wo das alles herkam –, hatte nachgedacht und sich umgehört.
Allmählich nahm er einige seiner alten Verbindungen wieder auf – die richtigen. Er war vorsichtig. Er wusste, was er wollte. Wenn er Geld hätte oder jemand mit Geld fand, könnte er eine richtige Gemüsegärtnerei eröffnen, die besten Läden und Hotels beliefern, gute Ware, das, was jetzt gefragt war, organisch, und nicht nur Kohl und Kartoffeln. Er hatte die Ausbildung, er hatte das Gefühl dafür, er konnte es schaffen. »Startkapital« nannte man das.
Er blickte auf die Zeitungsanzeigen. »Leitender Angestellter im Medienverkaufsbereich«, »Marketingberater«, »Gruppenanalyst«. Alle vernünftigen Jobs schienen verschwunden zu sein. »Koordinator für Jugendarbeit«. Er blätterte die Seite um.
»Ein falscher Schritt, und Pete wirft dich raus.«
»Er will mich sowieso raushaben.«
»Tja, wenn ich sage, du bleibst, dann bleibst du, aber pass bloß auf.«
Der vermisste Junge aus Lafferton wurde auch in den
Sky News
gebracht. Mit Foto. Ein unscheinbarer kleiner Kerl mit einer Stupsnase und ernstem Gesichtsausdruck. Schulblazer. Krawatte. Alles sehr ordentlich.
Andy schaute in das weiche, neunjährige Gesicht. Er dachte an seine Knastgenossen, was sie einem Kind wie dem antun würden. Was sie vielen angetan hatten, und wenn man sie auch weggesperrt hatte, liefen doch viele andere noch frei herum.
Er setzte sich.
Lee Carter. Er sah das Haus vor sich. Das Auto. Den lossprudelnden Springbrunnen. Die dicken Teppiche. Die vergoldete Bar in einer Ecke des Wohnzimmers.
Nur hatte er das schon als Junge hinter sich gebracht, dieses Wollen, Wollen, alles dafür tun, es zu bekommen, egal wie. Er könnte für Lee Carter arbeiten, aber was dann? Außerdem war er nicht an Pferderennen interessiert und auch nicht an den entsprechenden Leuten.
Es musste einen anderen Weg geben.
Eine Gruppe Männer mit Stetsons galoppierte über den Bildschirm, wirbelte eine Staubwolke auf. Andy erhob sich. Western konnte er nicht leiden.
Es ging immer noch zu wie im Tollhaus. In der Küche wurde ein Teller krachend in die Spüle geknallt.
»Bis nachher«, rief er. Niemand antwortete.
Er nahm seine Jacke vom Haken und ging die kalte, hässliche Straße entlang, auf die Lichter des Ox zu.
Drinnen war es voll, alle redeten über den Jungen. Andy holte sich ein Bier und bestellte einen Teller mit Fleischpastete, Erbsen und Pommes frites.
»Armer kleiner Kerl.«
»Die werden ihn finden.«
»Glaubst du?«
»Ich hab nicht gesagt, dass sie ihn lebend finden.«
»Genau.«
»Die armen Eltern. Und was hat Lafferton bloß angestellt? Nach all dem scheußlichen Zeug vom letzten Jahr hat es das nicht verdient.«
»War bestimmt niemand von hier.«
»Warum nicht? Wer sagt das?«
Und so ging es weiter und weiter. Das Gesicht des Jungen war jetzt in Andys Kopf, er konnte es nicht loswerden. Er wollte etwas tun, und es gab nichts, was er tun konnte, außer sie forderten Leute an, um Starly oder Hylam Park oder den Hügel abzusuchen. Dabei würde er sofort mitmachen. Plötzlich erkannte er, was es war – er war rastlos, unruhig. Bei Michelle saß er fast so sehr im Knast wie zuvor, und in gewisser Weise war es noch schlimmer, weil er nichts zu tun hatte. Dort war er draußen in der Gärtnerei gewesen, von acht bis fünf. Hatte seine Tage sinnvoll verbracht. Er musste etwas tun. Von morgen an.
Sein Essen kam, dampfend heiß, der Teller gehäuft voll, mit dicker brauner Soße über der Fleischpastete.
Vom Dartbrett war ein Schrei zu hören. Wenn Andy aufgegessen hatte, würde er sein Bier mit hinübernehmen und Dart spielen. Michelle würde ihn nicht vor elf Uhr sehen wollen.
Er schnitt in die Pastete und sah zu, wie der Teig sanft in sich zusammensank.
[home]
15
L iebling?«
»Hallo, Ma. Ja, ich bin immer noch hier.«
»Oh, ist es nicht schrecklich, wenn die Leute einen das die ganze Zeit fragen? Wie fühlst du dich?«
»Du weißt, wie ich mich fühle.« Cat
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