Des Drachens grauer Atem
das westliche Nachbarland etwas genauer unter die Lupe zu nehmen."
„Burma?"
Warren nickte. „Hierzulande weiß man, dass in den nordöstlichen Bezirken Burmas erhebliche Mengen Opium angebaut werden. Besonders in den Grenzgebieten zu Thailand, in denen solche Stämme leben wie die Schan, die Karen und andere. Es wird Ihnen nicht entgangen sein, dass die burmesische Regierung ihr Land ziemlich isoliert hat. Ein burmesisches Einreisevisum ist heute mehr wert als eine Aktie bei Ford. Warum? Man will sich nicht hinter die Kulissen schauen lassen. So etwas hat immer seinen Grund. Wenn Sie mich fragen - ich bin nicht der einzige, der annimmt, dass sich die Quelle, die Sie in Thailand vermuten, in Burma befindet."
Warum belügt mich dieser Mann, fragte sich Wilkers plötzlich. Er hörte Warren weiter mit interessierter Miene zu, aber er überlegte, was seinen Gesprächspartner veranlassen könnte, ihn von dem abzulenken, was er untersuchen wollte. Burma! Wilkers war versucht, den Kopf zu schütteln. Offenbar denkt er, dass ich schlecht informiert bin. Soll er es ruhig weiter glauben! Wer sich auch nur im entferntesten mit den Verhältnissen in diesem Teil Asiens beschäftigt, der weiß längst, dass Stämme wie die Schan oder die Karen seit Jahren in Auseinandersetzungen mit der Zentralregierung Burmas leben, mit dem Ziel der Abtrennung ihrer Stammesgebiete von Burma. Aus welchem Grunde sollten die Rebellen in Burmas Nordostgebieten ausgerechnet der Zentralregierung, die sie bekämpfen, ihr Opium zum Weiterverkauf anbieten? Eine absurde Idee. Tauglich nur, um Leute irrezuführen, die überhaupt nichts von dem begriffen hatten, was heute in Asien vor sich ging. Warum also will dieser Mister Warren mir ausreden, was eine Kommission von gut informierten Leuten in jahrelanger intensiver Kleinarbeit zusammengetragen hat? Deckt er jemanden? Und wenn ja, wen? Oder deckt er sich selber? Aber warum? Er ist der Leiter dieser offiziellen amerikanischen Dienststelle!
Schließlich sagte der Professor: „Sie haben mich da auf einen interessanten Aspekt hingewiesen, Mister Warren. Ich werde das zu überlegen haben." Er hob in einer hilflosen Gebärde die Hände. „So ist das manchmal! Man hat seine Theorien, und man hat seine Vorurteile, aber sobald man sie an der Realität erproben will, erweisen sie sich als falsch."
Warren lächelte. Er goss sich ungeniert einen weiteren Bourbon ein, blies ein paar Rauchkringel in die Luft und meinte dann: „Nun ja, das ist verständlich. Wir, die wir hier leben, haben doch einen besseren Einblick in die Dinge."
„Sie sind schon lange hier?"
„Jahre. Wissen Sie, wir haben die Aufgabe, industrielle Kooperationsvorhaben zu koordinieren. Das ist eine langfristige Sache. Kein aufregender Betrieb wie in einer Tageszeitung. Und es zahlt sich aus, wenn man das nicht nur kurze Zeit macht, sondern eben über viele Jahre, weil man dann erst das richtige Fingerspitzengefühl bekommt."
„Fingerspitzengefühl brauchen Sie dafür sicher", meinte Wilkers. Er gab sich Mühe, das nicht ironisch klingen zu lassen.
Was ist das für ein Mensch? fragte er sich. Ich weiß nicht mehr von ihm als das, was der Sekretär der Kommission gesagt hat: ein Mann, der im Regierungsauftrag in Bangkok ist. Ein Mann mit viel Einfluss und mit guten Kenntnissen über Land und Leute, genauen Kenntnissen, und mit Verbindungen. Aus dem Munde des Sekretärs hatte es so geklungen, als gebe er Wilkers nicht einfach den Rat, sich an Warren zu wenden, sondern als erwarte er, dass der Professor das tue. Wilkers hatte durch eine Zwischenfrage erfahren, dass der Sekretär diesen Mister Warren nie im Leben gesehen hatte. Wer also hatte ihn angewiesen, einen Mann, der im Auftrage der Kommission nach Bangkok reiste, bei diesem Mister Warren anlaufen zu lassen? Man konnte zur amerikanischen Botschaft gehen und sich erkundigen, was von Warren zu halten sei. Doch das würde wenig nützen. Wer weiß, auf wen man dort traf. Oder zur Botschaft der Schweiz? Auch nicht sehr sinnvoll. Auf jeden Fall muss es einen Grund dafür geben, dass Mister Warren versucht, meine Aufmerksamkeit von dem Opium, das hierzulande produziert und weiterverhökert wird, abzulenken und mir einzureden, dies alles wäre nur in Burma aufzuklären. Ausgerechnet in einem Land, das den Opiumanbau ebenso wie den Konsum der Droge seit der Unabhängigkeit verboten hat und nachweisen kann, dass dieses Verbot respektiert wird, außer in jenen Gebieten, die sich im Aufstand
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