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Des Drachens grauer Atem

Des Drachens grauer Atem

Titel: Des Drachens grauer Atem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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verlegene Gesichter. Warren entließ sie: „Ich brauche Sie jetzt nicht mehr. Danke, Sie können gehen."
    Er stieg wieder in den Fahrstuhl, vergewisserte sich, dass Lo Wen noch in seinem Zimmer saß, dann ging er ans Telefon und führte ein kurzes Gespräch mit dem Büro des Polizeichefs. Er erreichte, dass ein Beamter geschickt wurde, der Lo Wen abholte und bis zur Abfahrt des Zuges nach Chiengmai bewachte. Eigentlich war das völlig überflüssig, aber Warren wusste um die Wirkung solcher psychologischen Tricks, und er baute darauf, dass Lo Wen künftig erhebliche Furcht davor empfinden würde, noch einmal in die Hände der Polizei zu geraten.
    Während er auf den Beamten wartete, nahm sich Warren die Listen der beim Regionalhauptquartier der Agentur in Udorn vorrätigen Nahrungsmittel und Gebrauchsgegenstände vor. Es musste etwas für Muong Nan getan werden, zweifellos. Nur so konnte man die Stimmung dort verbessern. Reis war knapp, aber vermutlich würde es demnächst eine Lieferung von den Philippinen geben. Etwas Öl war vorhanden, auch Corned beef und minderwertiges Schweineschmalz, aus Armeebeständen in Südvietnam aussortiert. Warren notierte, was er nach Muong Nan fliegen lassen wollte. Er vermerkte einige Kartons mit Bier und Coca-Cola, Tabak und Süßigkeiten. Von den Gebrauchsgegenständen schrieb er vor allem Lampen und Öl auf seinen Notizblock, Seife und Waschpulver, Batterien, schließlich auch Aspirin und hochprozentigen Alkohol. Das musste vorerst reichen. Es würde hintransportiert werden, sobald der Reis angekommen war. In der Zwischenzeit musste man die Suche nach Bansammu anlaufen lassen. Nichts wirkte besser auf die Disziplin solcher Bergbewohner, als wenn einer, der den Außenseiter spielen wollte, dabei unverzüglich ertappt wurde.
    Da der Polizeibeamte immer noch nicht kam, ging Warren zu Lo Wen hinein. Der Dorf Vorsteher erhob sich von seinem Sessel, aber Warren winkte ihm, sitzen zu bleiben. „Nun, haben Sie es sich überlegt?"
    „Ja." Lo Wen hielt Warren das Papier hin. Es war unterschrieben.
    „Hm", machte Warren, während er sich die Schriftzeichen besah. „Ist ihnen klar, dass es beim nächsten Mal keine Gnade mehr geben würde?"
    „Ja, natürlich, Sir. Es wird sich nicht wiederholen!" beteuerte Lo Wen.
    Ihn bewegte nur der Gedanke, wieder in die Berge zu kommen. Vielleicht machte Mister Warren doch einen Fehler. Denn dieses Papier war eine Abmachung zwischen ihm und Lo Wen. Was aber, wenn Lo Wen nicht mehr Dorfvorsteher war? Das konnte schnell geschehen. Hatte nicht Sinhkat vor kurzer Zeit mitgeteilt, er werde bald zu Hause sein? Bansammu und Lo Wen hatten schon des öfteren überlegt, dass es sicher besser wäre, wenn der junge Mann, der viel mehr wusste als sie alle zusammen, zum Dorfvorsteher gewählt würde.
    Heute bin ich ein unterwürfiger, geschlagener Mann, Mister Warren, dachte Lo Wen, ohne dass sich auf seinem Gesicht auch nur ein Zug abzeichnete, der solche Gedanken angedeutet hätte. Heute bist du der große Sieger, du hast mich hereingelegt, wie du das ganze Dorf hereingelegt hast. Aber du hast dich verrechnet, denn wir haben endlich begriffen, in was wir uns da eingelassen haben, und wir Thai sind keine Dummköpfe. Wir verstehen es, uns zu wehren. Vielleicht tun wir das auf eine Art, die du nicht vermutest. Um so machtloser wirst du sein, wenn wir es tun. Nur wegkommen muss ich von hier, zurück in die Berge!
    „Nun gut", sagte Warren mit einem gönnerhaften Unterton, „ich will es noch einmal mit Ihnen versuchen." Da wurde er auf das Klingelsignal im Vorzimmer aufmerksam, das die Ankunft des Polizeibeamten ankündigte.
    Warren ließ den Polizisten warten. Noch war er mit Lo Wen nicht am Ende. Er betrachtete nachdenklich die Unterschrift auf dem Papier, setzte sich wieder hinter seinen Schreibtisch und begann langsam zu sprechen.
    „Wie es scheint, mein lieber Lo Wen, ist Ihre Unzuverlässigkeit kein Einzelfall. Wir Amerikaner machen wohl den Fehler, dass wir uns zu leicht auf das verlassen, was uns jemand verspricht. Nachdem Sie diesen schweren Fehler begangen haben, hat uns auch Ihr Partner Bansammu verraten."
    Lo Wen brauchte einige Zeit, um zu fassen, was Warren da gesagt hatte. Er fragte überrascht: „Bansammu? Was hat er getan?"
    „Etwas nicht Wiedergutzumachendes", antwortete Warren. Seine Miene verfinsterte sich, und jetzt verstellte er sich nicht einmal. Die zehn Säcke, die Lo Wen illegal hatte verkaufen wollen, waren für die Agentur

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