Des Drachens grauer Atem
und verschwand schnell im dichten Verkehr. „Wie ich dich kenne, ist es dir lieber, wenn wir nicht noch einmal bei uns zu Hause vorbeifahren", sagte die Frau mit einem Seitenblick. Sie erwartete keine Antwort und fragte gleich darauf: „Was ist mit der Kopfwunde? Wird das gut verheilen?"
„Sicher", gab Sinhkat zurück. „Das ist ganz ungefährlich. Das Knie ist schon wieder so gut wie in Ordnung." Er machte eine Pause, dann fügte er hinzu: „Ich konnte wenigstens wieder aufstehen. Einige meiner besten Freunde habe ich nur noch als Tote wieder gesehen."
Die Frau lenkte den Wagen umsichtig durch den dichten Stadtverkehr, bis sie in eine der breiten, mehrbahnigen Straßen einbog, wo es nicht mehr so viele Cyclos gab und Radfahrer. Erst hier fragte sie: „Aber ihr habt gesiegt. Oder?"
Sinhkat wandte sich ihr zu und beobachtete sie. In den Bergen aufgewachsen, dachte er. Heute gehört sie zu jenen im Lande, die über Geld und Einfluss verfügen. Sie hat in ihrem Haus Versammlungen stattfinden lassen, man musste ihr dafür dankbar sein. Sie hatte überhaupt, ebenso wie ihr Mann, nie einen Zweifel darüber aufkommen lassen, dass sie im Grunde für die gleichen Ziele eintrat wie die Studenten, wenn auch nicht öffentlich und wenn auch aus anderen, persönlichen Gründen. Reiche Verbündete. Angehörige der einheimischen Klasse der besitzenden Bürger, die im Hinblick auf den eigenen Vorteil daran interessiert waren, die amerikanische'
Bevormundung abzubauen.
Nach einiger Zeit sagte er: „Ich würde meinen, wir haben es ausgefochten. Wer den Sieg davongetragen hat, darüber bin ich mir nicht so sicher. Man wird es daran erkennen, wer seine Früchte genießt."
Vanna Blake lächelte. Unweit des Hauptbahnhofs ließ sie den Wagen am Bordstein ausrollen, in der Nähe eines Straßenrestaurants. Sie winkte dem Wirt, und als der eilfertig herbeilief, trug sie ihm auf: „Bringen Sie uns ein kaltes Getränk."
Sekunden später kam der Wirt mit einem Tablett und zwei Flaschen Limonade. Er verbeugte sich dankend, als Vanna ihm ein Geldstück in die Hand schob, und eilte zurück zu seinem Restaurant.
„Du bist ein so außerordentlich kluger Mensch", sagte Vanna, während sie ihm das Tablett hinhielt, „dass ich es manchmal bedaure, dich nicht hier in Bangkok behalten zu können."
„In eurer Fabrik?"
„Vielleicht. Aber Jungen wie du könnten es auch in der Politik sehr weit bringen."
Sie tranken. Als Sinhkat die Flasche absetzte, erwiderte er: ..Jungen wie ich sollten lieber ihre Kenntnisse dafür verwenden, dass es den ärmsten Leuten im Lande einmal besser geht."
Sie wusste, dass Sinhkat nur auf den Tag gewartet hatte, dass er in die Berge zurückgehen konnte; deshalb hatte sie mit keiner anderen Antwort gerechnet. Nun fragte sie ihn: „Also glaubst du, gesiegt haben im Grunde wir? Die Leute, die jetzt die Politik machen werden?"
„Das glaube ich ganz bestimmt", erwiderte Sinhkat. „Es konnte wohl auch nicht anders sein. Jede Entwicklung hat ihre Gesetze. Blüten müssen abfallen, so schön sie auch sind, erst dann entwickelt sich die Frucht."
„Das soll heißen, die Kräfte, die eigentlich den Sieg erkämpft haben, sind noch zu schwach, um seine Ergebnisse voll für sich zu nutzen?"
Sinhkat lächelte. Vanna kannte seine Ansichten über die Struktur der thailändischen Gesellschaft, auch seine Meinung, dass man den dritten Schritt nicht vor dem ersten gehen konnte. Sie hatten sich nie darüber gestritten, ob das Marxismus war oder gesunder politischer Verstand, es spielte keine Rolle zwischen ihnen. „Man wird jetzt eine Menge politische Parteien gründen", sagte er mit einem unüberhörbar ironischen Unterton. „Sie werden sicher alle vorgeben, für das Volk da zu sein; sie werden sich demokratisch nennen und national und sogar sozialistisch oder wenigstens sozial, das ist modern heute, und viele Leute glauben das. Außerdem werden wir ein Parlament von Zivilisten bekommen und eine Verfassung."
„Wenn die Amerikaner mitmachen."
„O doch, die werden mitmachen", versicherte Sinhkat. „Sie brauchen sich ja nur ein paar Leute zu kaufen, die Parteien gründen. Auf diese Weise lässt sich schon ein gewisses Übergewicht zu ihren Gunsten herstellen."
„Du meinst, man würde dann nicht den Abzug ihrer Truppen verfügen?"
ja."
„Du bist ein Skeptiker", warf ihm Vanna vor. Sie meinte das nicht ernst, denn sie wusste, dass er recht hatte.
„Vielleicht bin ich das", entgegnete Sinhkat. „Aber was hast du
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