Des Drachens grauer Atem
können oder nicht."
Er sah ihr zu, wie sie ein paar Papiere aus der Tasche nahm und sie auseinanderfaltete. Es schien, als suche sie nach den geeigneten Worten, doch dann begann sie kurz entschlossen: „Du weißt, ich habe nur eine Nichte, und das ist Satchanasai. Betrachte das folgende als eine familiäre Angelegenheit, wenn du willst. Ihr werdet heiraten. Ich sehe das gern, und ich habe die Möglichkeit, euch den Anfang vielleicht etwas zu erleichtern. Ich will mir weder eure Freundschaft erkaufen, noch möchte ich Dank hören. Du kennst mich, ich tue, was ich will, und ich lasse das bleiben, was ich nicht will. Das da ist euer Hochzeitsgeschenk."
Sie gab ihm die Papiere, schloss die Tasche und legte sie auf den Rücksitz. Sinhkat blätterte verdutzt in dem Päckchen. Es waren Lieferscheine für Saatgut und Düngemittel, für landwirtschaftliche Kleingeräte. Anweisungen an eine Firma in Chiengmai, Güter ähnlicher Art nach Wahl zu liefern, innerhalb einer Frist von zwei Jahren, bei unbegrenzter Höhe des Rechnungsbetrages.
Sinhkat betrachtete sie mehrmals, bevor er Vanna ansah, und fragte: „Das soll ein Geschenk für uns sein?"
„Ja."
„Das ist nicht möglich. Das könnten wir nie gutmachen."
„Ein Geschenk braucht niemand gutzumachen, Sinhkat."
„Aber das sind Beträge, die für die Leute in den Bergen unfassbar sind!"
„Möglich; für uns sind sie fassbar. Und wenn du diese Sachen bei dem, was du in Muong Nan anfangen willst, brauchen kannst, dann lass uns kein Wort mehr darüber verlieren. Kannst du sie gebrauchen oder nicht?"
„Und ob wir sie brauchen können!" Sinhkat wies auf die Bündel auf den Rücksitzen. „Das ist alles, was ich mitbringe. Saaten und Versuchspflanzen."
Sinhkat war zu überrascht, um sich jetzt mit ihr darüber zu streiten, ob es richtig war, wenn er ein solches Geschenk annahm. Er überlegte bereits, was es bedeutete, wenn er in Chieng-mai hochwertiges Saatgut kaufen konnte, Düngemittel und Geräte. Man würde damit das, was er in ein oder zwei Jahren hatte schaffen wollen, vielleicht in ein paar Monaten hinter sich bringen: Felder zwischen den Hügeln anlegen, Wasser aus den Bergen auf die Felder leiten und alle jene Feldfrüchte anbauen, von denen er nun wusste, dass sie um Muong Nan herum gediehen. Man konnte viel früher schon zum Anbau von hochwertigen Kulturen übergehen, zu Tee oder Gewürzen, die wegen ihres geringen Gewichtes verhältnismäßig leicht in die Ebene zum Verkauf zu transportieren waren.
Als wäre Vanna seinen Gedankengängen gefolgt, sagte sie jetzt: „Ich habe dir noch nicht ausgerichtet, was mein Mann mir j aufgetragen hat. In dem Augenblick, in dem ihr Überschüsse an Produkten habt, wird er in die Wege leiten, dass ihr sie in Chiengmai zu Vorzugspreisen absetzen könnt. Und er bittet dich, das den Bewohnern möglichst vieler anderer Dörfer mitzuteilen. Er wird das gleiche für deren Produkte veranlassen. Ich brauche dir nicht zu versichern, dass er so etwas nicht sagt, wenn er nicht j die Absicht hat, es bis auf das letzte Wort einzuhalten!"
Warum tut er das? fragte sich Sinhkat. Die Antwort lag auf der Hand. Hier zog ein kühler Rechner einen Wechsel auf die Zukunft. Ein Mann, der keinesfalls ein Wohltäter war, eher ein Spekulant, der die Möglichkeiten nutzte, die sich auf weite Sicht anboten. Durchgreifende Veränderungen in den politischen und ökonomischen Verhältnissen des Landes eröffneten der bisher benachteiligten Schicht des einheimischen Bürgertums die Chance zu größerer Entfaltung. Und wirtschaftliche Macht ließ sich dereinst Zug um Zug in politische Macht ummünzen.
Sinhkat bestaunte den Weitblick Tracy Blakes, der sich eine wirtschaftliche Position in den Bergen sicherte, noch bevor dort das erste Samenkorn in der Erde lag. Er zögerte nun nicht mehr, das anzunehmen, was Blakes Frau ihm und Satchanasai als ein Familiengeschenk anbot. Entscheidend war, es würde das Tempo jener Entwicklung beschleunigen, die dazu führte, den Einfluss der Amerikaner und ihrer CIA in der Bergregion abzubauen. Das allein zählt, sagte sich Sinhkat. Wir haben den ersten Schritt vor uns. Gehen wir ihn mit Blake. Wer den nächsten Schritt mit uns geht, darüber werden wir später befinden. Oder unsere Kinder.
Sinhkat faltete die Papiere sorgfältig und steckte sie in die Innentasche seiner Jacke. Er reichte Vanna die Hand. „Richte deinem Mann aus, in zwei Jahren spätestens bekommt er von uns das erste Angebot. Es wird Tee sein.
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