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Des Drachens grauer Atem

Des Drachens grauer Atem

Titel: Des Drachens grauer Atem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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lächelst? Als ob du eine gute Tat vollbracht hast! Dabei haben wir nur wieder das gemacht, was sie von uns verlangen. Und sie werden immer wiederkommen."
    Lo Wen drehte sich ihr zu. Die DC-3 flog einen Kreis über dem Tal, um Höhe zu gewinnen. Während sie schnell stieg, erwiderte Lo Wen langsam: „Die da kommen nicht wieder."
    Sinhkat trug einen Verband um die Stirn, und er hinkte leicht, als er die breite Treppe im Universitätsgebäude herabkam. Zwei seiner Studienkollegen trugen große, in Leinwand eingenähte Bündel für ihn. Während der blutigen Kämpfe auf dem Platz vor dem Denkmal der Demokratie hatte ihn ein Geschoß an der Stirn gestreift. Er war gestürzt, und Flüchtende hatten ihm das Knie ausgerenkt, als sie in ihrer Hast auf ihm herumtrampelten. Kommilitonen hatten Sinhkat gerettet. Später stellte er zu seiner Verwunderung fest, dass die Verletzungen gar nicht so schlimm waren, wie es zuerst den Anschein gehabt hatte. Der Arzt, der die Stirnwunde verband, meinte: „Das ist nicht mehr als ein kleiner Kratzer, lieber Freund! Allerdings - zwei Zentimeter weiter links, und Sie wären jetzt ein toter Mann!" Das Knie wurde eingerenkt, es schmerzte noch ein wenig beim Auftreten, aber auch das würde sich in ein paar Tagen verlieren.
    Sinhkat war unmittelbar nach Aushändigung seines Diploms zum Sammelplatz gegangen, wo sich die Studenten für die große Demonstration trafen. Er hatte nicht gewusst, wo er das kostbare Dokument lassen sollte, und hatte es schließlich zusammengefaltet in die Innenlasche seiner Jacke gesteckt. Das Blut aus seiner Stirnverletzung hatte auf dem Büttenpapier mit dem Siegel der Universität und den Unterschriften der Professoren dunkle Flecken hinterlassen. Ich bin vielleicht der einzige Student der Welt, dacht Sinhkat, dessen Diplom außer den Unterschriften der Magnifizenzen auch das Blut des Inhabers trägt!
    Als es in der Stadt ruhiger wurde, Kittikachorn verjagt war und seine Mithelfer es ebenfalls vorgezogen hatten, sich ins Ausland zu retten, hatte Sinhkat seine Heimreise vorbereitet. Er hatte seine Bücher und seine wenigen Habseligkeiten sowie eine Anzahl Behälter mit Samen und Saatpflanzen sorgfältig in alte Decken gewickelt und anschließend in Leinwand eingenäht, wie man das als Bauer machte, wenn man Gepäck über eine längere Strecke zu transportieren hatte. Heute, am frühen Morgen, hatte Vanna Blake im Wohnheim der Universität angerufen und angekündigt, dass sie zwei Stunden vor Abfahrt seines Zuges mit dem Auto an der Universität sein würde, um mit ihm über einiges zu sprechen und ihn dann zum Bahnhof zu bringen.
    Sinhkat hatte die Blakes während seiner Studienjahre einige Male besucht. Er war in ihrem Haus stets wie ein Sohn empfangen worden, obwohl er nicht direkt mit ihnen verwandt war. Aber sie wussten, dass er mit Satchanasai so gut wie verlobt war, und sie boten ihm mehrmals Hilfe an; sie versprachen ihm Unterstützung, auch finanzielle, sobald er sie nötig hätte, Sinhkat hatte sich höflich bedankt, aber von dem Angebot keinen Gebrauch gemacht. Er hatte nichts gegen Vanna und ihren Mann, auch nicht deshalb, weil jener aus Amerika stammte. Sie waren aber Fremde für ihn, und er fühlte sich bei ihnen immer wie ein armer Bauer, der höflichkeitshalber in ein solches Haus eingeladen wird. Vanna Blake mochte das gespürt haben, obwohl sie es sich nicht anmerken ließ. Sie drängte Sinhkat nicht zu Besuchen, denn sie wusste, wie wenig sich ein Junge aus den Bergen in der Umgebung wohl fühlen musste, in der sie lebte. Trotzdem hatte sie ihn nie aus den Augen verloren, Und jetzt wartete sie in dem großen, eleganten Wagen vor dem Portal der Universität.
    Sie sah ein wenig belustigt, wie Sinhkat mit seinen Freunden heraustrat und einer der beiden bei ihrem Anblick leise durch die Zähne pfiff. Die Freunde waren zwar darauf vorbereitet gewesen, einer interessanten Frau zu begegnen, aber was sie sahen, übertraf ihre Erwartungen. Der eine murmelte, zu Sinhkat gewandt: „Bist du sicher, das ist nichts weiter als eine Tante deiner Freundin?"
    Sinhkat lächelte, aber dieses Lächeln war ebenfalls mehr ein Zeichen von Unsicherheit. Er verbeugte sich, als er Vanna begrüßte. Sie öffnete die hinteren Wagentüren und bedeutete Sinhkats Begleitern, die Bündel auf die Rücksitze zu legen. Dann forderte sie Sinhkat, der sich inzwischen von seinen Freunden verabschiedet hätte, zum Einsteigen auf.
    Der lange, dunkle Wagen schoss auf die Fahrbahn hinaus

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