Des Drachens grauer Atem
hier sein! Hatte er nicht angekündigt, er würde um diese Zeit kommen?"
Muchathien nickte bedächtig. „Er hat es angekündigt, ja. Aber weiß man, was ihm vielleicht zugestoßen ist in Bangkok, wo es doch die Revolution gegeben hat?"
Lo Wen warnte: „Lass diesen Gedanken nur nicht vor Satchanasai laut werden, mein Lieber! Sie wartet ohnehin schon zu lange."
Das Mädchen lief Tag für Tag ans Ende der Siedlung und hielt nach Sinhkat Ausschau. Von dort aus würde sie ihn erkennen können, wenn er auf der Hügelkette erschien, mehr als eine Stunde vor seiner Ankunft im Dorf. Satchanasai wollte ihm dann entgegenlaufen. Sie wollte die erste sein, die er wieder sah in der alten Heimat. Aber Sinhkat kam nicht. Also beschäftigte sich Satchanasai unkonzentriert damit, aus einer Agavenart gewonnene Fasern zu bleichen und weich zu klopfen, um sie später zu Fäden zu spinnen, die für die Herstellung von grober Bekleidung verwendet wurden. Sie sammelte Brennholz, auch das war wichtig, denn in der Regenzeit musste man einen Vorrat davon unter dem Kahlhaus liegen haben, sonst konnte man das Kochfeuer nicht anfachen. Gelegentlich ging sie in die Hügel und suchte Wildfrüchte, oder sie half bei Gemeinschaftsarbeiten im Dorf.
Lo Wen hatte vorgeschlagen, dass man alles Rohopium aus der neuen Ernte zunächst vergraben sollte, an zwei verschiedenen Stellen. Falls Mister Warren wirklich mit einer Ladung Lebensmittel auftauchte, konnte man ihm dafür einen Teil des Opiums geben, während man das andere für spätere Zeiten aufhob. Die Leute waren damit einverstanden. Für seine eigenen Zwecke hatte ohnehin jeder eine Kleinigkeit der Ernte beiseite gebracht, und so halfen sie Lo Wen beim Anlegen der Gruben, in die die Plastsäcke mit dem Rohopium versenkt wurden. Man schüttete sie zu und tarnte sie sorgfältig, so dass kein Fremder sie entdecken konnte.
Mit Muchathien zog Satchanasai eines Tages weit in die Niederungen im Süden, bis zu einer Gegend, in der es üppige Bambusgehölze gab. In stundenlanger Arbeit gruben sie mehr als einen Zentner der jungen, eine oder zwei Handbreit langen Sprossen aus, die eine vorzügliche Nahrung abgaben. Sie schafften sie in Körben ins Dorf, und alle hatten tagelang ausreichend zu essen. Eine gewisse Menge konnten sie in Tontöpfe einlegen, da sich noch ein wenig Salz fand. In einigen Wochen würde aus diesen Schnitzeln der Bambussprossen ein wohlschmeckendes Salzgemüse geworden sein.
Bei den Schweinen, die das Dorf gemeinsam hielt, kam Nachwuchs zur Welt. Die Männer zimmerten aus Bambusstangen ein Gehege für die Tiere, und sie bauten es so, dass es von Zeit zu Zeit versetzt werden konnte, immer dorthin, wo noch Gras und Wildkräuter wuchsen, von denen die Schweine hauptsächlich lebten. Auf diese Weise gab es Arbeit in Fülle, die Satchanasai hätte von ihren Gedanken an Sinhkat ablenken können. Sie wachte trotzdem jeden Morgen mit der Hoffnung auf, dass er an diesem Tage im Dorf eintreffen würde. Als Lo Wen und Muchathien von den Hügeln zurückkamen, nachdem sie Wilkers verabschiedet hatten, fragte das Mädchen wiederum: „Ihr habt ihn nicht gesehen?"
Muchathien lächelte. „Er wird kommen, sei nicht ungeduldig!"
Lo Wen riet ihr, sich zu überlegen, wie sie die Hochzeit ausrichten würde. Er schmunzelte dabei. „Du musst Pilze einlegen, und du solltest Beeren gären lassen, damit es etwas zu trinken gibt. Die Zeiten, in denen die Schan-Banditen uns Laku mitbrachten, sind vorbei. Und wenn du schon heiratest, wollen wir alle feiern."
Satchanasai murmelte nachdenklich: „Ich glaube, wir werden nach Sinhkats Rückkehr zuerst ein paar wichtigere Sorgen haben als unsere Heirat."
Das glaube ich auch, dachte Lo Wen. Er wartete ebenso ungeduldig auf den Studenten. Nur mit dessen Hilfe konnte er bewerkstelligen, was er sich vorgenommen hatte und womit die Pläne Mister Warrens ganz sicher zu durchkreuzen waren.
„Nun gut", meinte er zu Muchathien, „dann werden wir uns wohl darum kümmern müssen, dass es keine traurige Hochzeit wird." Er blinzelte Satchanasai zu, und die lächelte zurück. Sie wusste ganz genau, dass Lo Wen bei weitem nicht so zuversichtlich war, wie er vorgab. Er steckte in der Klemme, das hatte er selbst gesagt, zwischen dem Dorf und Mister Warren. Nur einem von beiden konnte er dienen. Und nun hatte er sich in Bangkok verpflichten müssen, ausschließlich die Interessen Mister Warrens zu vertreten. Wie war aus diesem Teufelskreis herauszukommen?
Auch Wilkers
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