Des Kaisers Gespielin (German Edition)
waren. Wie viel Hass, wie viel Schlechtes musste in einem Menschen stecken, bis er zum Äußersten griff?
Ich könnte keinen Menschen töten und war froh, dass Ravenna es auch nicht konnte. Wie könnten wir uns je wieder in die Augen sehen, wie uns jemals wieder lieben, wenn etwas derartiges zwischen uns stünde? Und sie hatte recht, Unversehrtheit würde uns das auch nicht garantieren.
„Was nun?“, fragte ich nach einer Weile.
Ravenna sah mich an und in ihren Augen stand Wärme, aber auch Schmerz geschrieben.
„Ich glaube, es ist an der Zeit den Hof zu verlassen.“
Ich nickte verständnisvoll und meine Hände zitterten erwartungsvoll. Daran hatte ich auch gedacht. Wir würden gehen, wir hatten die geheime Tür, wir würden eines Nachts hindurch gehen und niemand würde uns je wieder zu Gesicht bekommen. Mein Herz machte einen kleinen Sprung bei dem Gedanken, dass wir beide irgendwo ein neues Leben beginnen würden. Viel zu lange schon hatte ich meine dunkle Rabenfrau teilen müssen.
„Wir werden also fliehen?“
Die Hoffnung starb genauso schnell wie sie gekommen war. Ein Blick in Ravennas schmerzverzerrtes Gesicht und ich wusste, dass mein Traum gerade zerschmettert wurde.
Entsetzt sprang ich auf und flehte sie an: „Bitte sag, dass wir fliehen werden! Dass du mich nicht verlassen wirst! Sag, dass du mich liebst!“
Tränen rannen aus meinen Augen, als ich sie abwechselnd schüttelte und umarmte. Kaum merklich senkte Ravenna ihren Blick und in diesem Moment wollte ich nur noch sterben. Ich wusste, dass ich verloren hatte, aber ich konnte es nicht akzeptieren. Schluchzend warf ich mich um ihren Hals, presste sie an mich und flehte sie an mit mir zu gehen. Versprach ihr, dass wir glücklich sein könnten, an einem Ort, der nur uns beiden gehörte. Aber Ravennas Schweigen sagte mir, dass mein Flehen vergebens war. Als keine Worte mehr aus meinem Mund kamen, strich sie mir hilflos über den Rücken.
„Weine nicht, kleine Lila! Ich werde dich lieben bis ans Ende meiner Tage. Aber ich kann nicht gehen.“
„Warum nicht?“, ich bemerkte kaum, dass ich schrie.
Ihre Stimme war sanft: „Weil es zu gefährlich wäre. Wenn wir fliehen, wird man uns suchen. Niemals könnten wir sicher sein.“
„Sie werden aufhören uns zu suchen. Wir sind doch nur zwei Frauen... Konkubinen! Wenn wir uns unauffällig verhalten, dann wird man uns schnell vergessen.“
Ravenna holte tief Luft und sah zu Boden.
„Er wird uns nicht vergessen, Lila, denn ich trage sein Eigentum in mir.“
Entsetzt sah ich sie an.
Ravenna nickte: „Du hast richtig gehört. Sein Samen ist in mir aufgegangen und er weiß es. Ich kann nicht gehen. Nicht bevor ich ihm sein Eigentum übergeben habe, sonst wäre ich meines Lebens nie mehr sicher. Und du auch nicht.“
Ich war wie vor den Kopf gestoßen, ich hatte ja keine Ahnung. Mein Blick wanderte an ihrem Körper herunter, aber da war nichts als weiche warme Ravenna. Entschlossen versteifte sich mein Rücken.
„Ich bleibe! Ich fliehe nicht ohne dich!“
Ravenna räusperte sich: „So viel Zeit haben wir nicht. Ein paar Tage oder Wochen vielleicht, aber nicht Monate. Über kurz oder lang wird Hella merken, dass ihr Plan nicht aufgeht und uns verraten. Sie würden uns töten, weil wir den Kaiser verraten haben. Nein, liebste Lila, bleiben kannst du nicht. Und fliehen auch nicht, das wäre wie ein Schuldeingeständnis.“
Sie zögerte einen Augenblick bevor sie weitersprach.
„Du wirst heiraten, Lila.“
Der Schock fuhr mir tief in die Glieder.
„Was?“, meine Stimme überschlug sich.
„Du wirst heiraten, Lila.“, wiederholte sie sanft, als würde sie zu einem trotzigen Kind reden, „Du wirst deinen kleinen Soldaten heiraten und weit fortgehen. Du wirst glücklich sein in deinem kleinen neuen Leben und du wirst ihm viele Kinder schenken und bald wirst du dich kaum mehr an mich erinnern.“
„Nein!“, schrie ich wieder. „Niemals! Ravenna, ich will dich, nur dich. Ich will bleiben, auch wenn es mich vielleicht das Leben kostet. Was ist mein Leben ohne dich?“
Ravenna sprach mit mir wie zu einem Kind.
„Wenn du bleibst, dann wird das auch mein Ende sein. Hast du daran gedacht? Sollte Hella uns doch verraten, dann kann ich lügen. Aber du? Du würdest dich in der ersten Sekunde selbst verraten. Lila, ich glaube wirklich, dass du gehen musst. Weißt du denn nicht wie sehr es mir das Herz zerreißt? Der Gedanke, dass er besitzen soll was mein ist, macht mich krank. Aber ich
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