Des Koenigs Konterbande
Paris
kapitulierte, was nur angemessen war, vor Rodneys Flaggschiff
Formidable.
Die Rolle als unbeteiligter Passagier mußte Brennier damals sehr zu schaffen gemacht haben, dachte Bolitho. Die Franzosen hatten Jamaika angreifen und ihn nach der Eroberung dort als Gouverneur einsetzen wollen. Aber die Schlacht bei den Saintes hatte diesen Plan durchkreuzt, wie überhaupt jener sonnige Apriltag das Schicksal vieler Menschen, auch weniger prominenter, verändert hatte. Bolithos Bootssteurer Stockdale war damals gefallen, Ferguson hatte einen Arm verloren, und Bolithos Schiff
Phalarope
war so schwer beschädigt worden, daß es nur unter ständigem Einsatz aller Pumpen nach Antigua hinken konnte.
Er hörte, daß Türriegel zurückgeschoben wurden, und spürte eine Welle warmer Luft im Gesicht. Die Augenbinde wurde ihm abgenommen, und er fand sich in einem großen Raum mit steinernen Wänden wieder: offenbar ein Bauernhaus, obwohl von den rechtmäßigen Eigentümern nichts zu sehen war.
Bolitho wandte sich dem alten Mann zu, der ihm an einem sauber geschrubbten Holztisch gegenübersaß, und verbeugte sich.
»Vizeadmiral Brennier?« Daß er gealtert sein mußte, war ihm klar gewesen, dennoch schockierte ihn sein Anblick: schlohweißes Haar, runzlige Haut und Augen, die unter den hängenden Lidern fast verschwanden.
Der Greis nickte langsam. »Und Sie sind Kapitän Bolitho.
« Sein Englisch war nicht so gut wie das seines Adjutanten.
»Ich kannte Ihren Vater.« Das faltige Gesicht verzog sich zu einem müden Lächeln.
Bolitho war überrascht. »Das wußte ich nicht, M’sieur.«
»Das Alter hat auch seine Vorteile, Kapitän. Heißt es wenigstens.« Er reckte die mageren Hände dem Kaminfeuer entgegen und fuhr fort: »Unser König lebt, aber die Lage in unserem geliebten Paris wird immer verzweifelter.«
Bolitho wartete. Es konnte doch unmöglich so sein, daß die Kampagne zur Wiedereinsetzung des französischen Königs von Brennier geführt wurde? Er war zwar ein tapferer Offizier gewesen und den Briten ein würdiger Gegner, aber nun war er alt, und das Unglück seines Landes mußte ihn zusätzlich verbraucht haben.
»Was wünschen Sie von mir, M’sieur?« fragte Bolitho.
»Wünschen?« Brennier schien nur mühsam in die Wirklichkeit zurückzufinden. »Ich habe mich der hehren Aufgabe
verschworen,
unseren geliebten König zu befreien, mit allen Mitteln und um jeden Preis!« Seine Stimme festigte sich, und Bolitho konnte jetzt die Energie ahnen, die der Mann früher besessen hatte. »Zu diesem Zweck haben wir hier in den Niederlanden ein Vermögen bereitgestellt. Kostbare Juwelen, Gold …« Er stützte den Kopf auf die Hand.
»Lösegeld für einen König, so könnten Sie es nennen. Es wird nicht weit von hier verwahrt. Bald muß es transferiert und eingesetzt werden.«
Vorsichtig erkundigte sich Bolitho: »Und woher stammt dieses Vermögen?«
»Von vielen unserer besten Familien, die ihre Lieben unter der Guillotine verloren haben. Und von anderen, die einfach die Rückkehr geordneter, zivilisierter Verhältnisse anstreben.« Seine Augen blitzten, als er aufblickte. »Es wird der Befreiung des Königs dienen – durch Bestechung, aber notfalls auch durch Gewalt –, und mit dem Rest wird die Konterrevolution finanziert. Im Süden Frankreichs gibt es noch viele königstreue Offiziere, M’sieur. Die ganze Welt soll Zeuge unserer Abrechnung werden! Wir werden diesem Abschaum gleiches mit gleichem vergelten!« Der Zornesausbruch schien ihn geschwächt zu haben. »Aber darüber sprechen wir noch, wenn einige meiner Freunde eingetroffen sind.« Er deutete auf eine Tür. »Gehen Sie, Kapitän, und lernen Sie den anderen
agent provocateur
kennen.«
Brenniers Adjutant erschien und führte den betagten Vizeadmiral zu einer Treppe im Hintergrund. An ihrem Fuß wandte sich Brennier noch einmal um und rief: »Es lebe Frankreich! Lang lebe der König!«
Der Adjutant blickte Bolitho an und zuckte leicht die Schultern. Dann sagte er zu Allday: »Warte hier. Ich schicke um einen Imbiß und Wein.«
Allday murmelte: »Junger Laffe! Es waren Leute wie er, die Frankreich verspielt haben – wenn Sie mich fragen.«
Beschwichtigend hob Bolitho die Hand. »Immer langsam, alter Freund. Es gibt hier vieles, das wir noch nicht verstehen.
Aber tu, was er sagt, und halt die Augen offen.«
Damit ging er durch die bezeichnete Tür und betrat ein etwas gemütlicheres Zimmer. Ein Mann, der in einem hochlehnigen Ohrenstuhl vor dem
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