Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert
war, und führte die Abwrackprämie ein. Und siehe da:
Es funktionierte!
Es entstand geradezu ein Run auf Neuwagen, der die Produktion der Automobilhersteller zumindest ein wenig aus dem tiefsten
Tal holte. Ein Wunder? Wohl kaum. Was war geschehen? Die Regierung hatte, ohne es wahrscheinlich bewusst anzustreben, das
Geheimnis von Konjunkturpolitik entdeckt. Erzeuge Zeitdruck und gib finanzielle Anreize für mehr Ausgaben, dann wird das selbst
in einer tiefen |152| Krise funktionieren und die Krise wird gedämpft. Im Idealfall ist so ein Strohfeuer der Funke für einen wiedergekehrten Optimismus,
der die privaten Haushalte dann von alleine zu weiteren Ausgaben veranlasst: Die Krise wird überwunden.
So weit reichte es bei der Abwrackprämie nicht, aber sie führte zu deutlich mehr Ausgaben für Neuwagen. Diese Ausgaben waren
Einnahmen der Automobilproduzenten und ihrer Händler. So wurden Produktion und Handel auf diesem so stark gebeutelten Markt
massiv gestützt. Natürlich profitierten besonders die Hersteller von Kleinwagen und darunter waren auch viele Importeure,
aber selbst der Absatz von Premiummodellen zog an. Auch wenn ausländische Hersteller den relativ höchsten Nutzen aus dieser
Maßnahme zogen, setzte der VW-Konzern als deren Folge absolut die meisten zusätzlichen Autos ab. Zudem brachte die Abwrackprämie
für alle Autohändler in Deutschland zusätzliche Erlöse. All dies wirkte – wie beabsichtigt – nur für eine begrenzte Zeit.
Aber diese gewonnene Zeit war wertvoll, denn sie erwies sich als Brücke – bis die ausländische Nachfrage nach Neuwagen wieder
anzog und die Investitionsprogramme zu wirken begannen. Damit ergänzte sie in idealer Weise das Kurzarbeitsprogramm: Indem
die Produktion in einem der am stärkten betroffenen Sektoren stabilisiert wurde, gab es dort automatisch weniger Kurzarbeit.
Das führte nicht zuletzt zu niedrigeren Kosten für den Staat, der sich ohnehin schon an den Mehrwertsteuereinnahmen aus dem
sprudelnden Neuwagenverkauf schadlos halten konnte. Das war gute Konjunkturpolitik und auch ein gutes Geschäft für den Finanzminister.
Ab Jahresmitte 2009 zeigten dann auch die Investitionsprogramme allmählich Wirkung. Zunächst schlug sich das nur in den Auftragsbüchern
der Bauindustrie und des Handwerks nieder, später auch in der Produktionsleistung. Die Bauwirtschaft entwickelte in der Folgezeit
mehr und mehr Dynamik, sodass die Konjunkturpakete trotz der Fehler im Einzelnen insgesamt eine spürbar positive Wirkung entfalteten.
Die Bundesregierung der Großen Koalition hat damit richtig reagiert, auch wenn sie die entscheidenden Ursachen der Krise zu
sehr |153| auf die falsche oder gar fehlende Regulierung des Finanzsektors verengte. Die Probleme durch marktwirtschaftliche Unsicherheit
und die drastisch zunehmende Ungleichheit wurden nicht gesehen. Es fehlte der Regierung außerdem die Zeit, diese Probleme
anzugehen. Mit der Wahl 2009 war ihre Zeit vorbei – eine neue Koalition aus CDU/CSU und FDP hat nun das Heft in der Hand.
Über die Schwierigkeit einer europäischen Koordination
Im Zuge der Finanzkrise, die ein beispielloser Stresstest für die bestehenden Institutionen ist, wurde offenkundig, dass die
europäische Koordination der Wirtschaftpolitik einem chaotischen Trümmerhaufen gleicht. Wie komme ich zu diesem harten Urteil?
Zunächst zu dem »Trümmerhaufen«. Keine Regierung der EU und des Euroraums ist in der Lage oder willens, Antworten aus europäischer
Perspektive auf die Krise durchzusetzen. Das gilt auch für die beiden Bundesregierungen, die während der Krise agierten. »Chaotisch«
sind die Verhältnisse, weil auf diesem Trümmerhaufen Entscheidungen getroffen werden, die sowohl Positives wie auch Negatives
bewirken. Leider laufen diese Entscheidungen auch in sehr unsystematischer Weise ab. Verlässlichkeit, in Krisenzeiten besonders
wichtig, entsteht so nicht. Aber alles der Reihe nach.
Die Finanzkrise ist eine globale Krise. Es geht also nicht um die Interessen einzelner Länder, selbst wenn einzelne Volkswirtschaften
stärker betroffen sind als andere, sondern es geht um die Weltwirtschaft als Ganzes. Es geht auch um die EU und den Euroraum
als Ganzes und seine Rolle in der Weltwirtschaft. Man erinnere sich: Eigentlich waren der europäische Binnenmarkt und der
Euroraum mit seiner gemeinsamen Währung nicht zuletzt deshalb gegründet worden, um in einer zunehmend verflochtenen
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