Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert
vermeintlich stets rational handelnden Finanzmarktinvestoren abzielt. Emotionen kamen in diesem
Ansatz nicht vor, und auch der natürliche »Herdentrieb«, von dem schon die Rede war, spielte keine Rolle. Dabei zählt beides
seit jeher zu den Merkmalen von Finanzmärkten.
In einem solchen Umfeld ist eine möglichst marktnahe Bilanzierungspraxis äußerst gefährlich. Diese Praxis erfordert es, dass
Wertpapiere und Geschäfte in der Regel zu ihren aktuellen Handelswerten in die Bilanz eingestellt werden. Das gilt in strenger
Form für alle Wertpapiere, die im Handelsbuch von Banken geführt werden. Das sind unter anderem all jene Wertpapiere, mit
denen eine Bank unter |201| Ausnutzung von Kurs- oder Preisschwankungen kurzfristig handeln will. Es gilt in abgemilderter Form für alle übrigen Wertanlagen,
mit denen eine Bank kurzfristig nicht handeln will oder wegen ihrer vertraglichen Bindung zum Beispiel bei Krediten nicht
handeln kann.
In guten Zeiten wird der Wert der Bank bezogen auf eine solche Bilanz also als sehr hoch eingeschätzt. Folglich darf sie ihre
Geschäfte entsprechend ausdehnen und mehr Kapital zum Beispiel für die Kreditvergabe oder den Kauf von Wertpapieren einsetzen.
Dies gilt für alle Banken. So erweitert sich in Boomzeiten, in denen ohnehin alle Anleger euphorisch gestimmt sind, ständig
der Spielraum für weitere Geschäfte – mit der Folge, dass Preise und Kurse für Bankgeschäfte aller Art rasant von jeder ökonomischen
Realität abheben. Das ist die klassische Blasenbildung mit dem bekannten bösen Ende.
Das Gleiche gilt natürlich in den traurigen Phasen einer Krise. Dann sieht nämlich auch die Bilanz einer Bank sehr traurig
aus, und ihr Spielraum engt sich ständig immer weiter ein. Sie muss sich aus den Märkten zurückziehen, was, da alle Banken
zugleich dieses Schicksal erleiden, beschleunigend auf den allgemeinen Kurs- und Preisverfall auswirkt – mit dem ebenfalls
bekannten bösen Ende.
Diese Regeln, die allein einer transparenten Bewertung dienten, sind aus meiner Sicht eine
der
maßgeblichen Quellen der Instabilität. Neue Regulierungsvorschriften sollten der gesamtwirtschaftlichen Stabilität unbedingt
einen höheren Stellenwert einräumen. Es muss genau das Gegenteil dessen passieren, was in den bisherigen Regeln angelegt ist:
Der Spielraum von Banken muss sich in euphorischen Zeiten eher verengen und in schlechten Zeiten eher erweitern.
Das kann man durch antizyklische Zu- und Abschläge auf die Eigenkapitalrücklage erreichen. In Zeiten eines Booms müssen die
Aufsichtsbehörden einen Zuschlag verlangen, der die Banken zwingt, mehr Kapital zu halten. Dies begrenzt die Kreditvergabe
in Boomzeiten und trägt somit dazu bei, die heiß gelaufenen Märkte abzukühlen. In schlechten Zeiten sind Abschläge empfehlenswert,
die die Kreditvergaben verbilligen. Auf diese Weise wirken sie der allgemeinen Marktdepression entgegen. Dies sollte prinzipiell
auf internationaler |202| Ebene vereinbart werden. Die Zu- und Abschläge sollte man jedoch national erheben, um den Besonderheiten nationaler Zyklen
gerecht zu werden. In diese Richtung gehen auch die Vorschläge, die im Rahmen des Basel-III-Abkommens zwischen den Notenbanken
und Aufsichtsbehörden für die Regulierung der Finanzmärkte gemacht werden. Es bleibt abzuwarten, ob sie Eingang in die nationale
Gesetzgebung finden. Selbst dann bleibt die unvermeidbare Schwierigkeit, die verschiedenen Gefahren rechtzeitig und korrekt
zu diagnostizieren.
Wer bezahlt die Schäden der Finanzkrise?
Über all den Vorschlägen, Absichtserklärungen und Beschlüssen zur Neuordnung des Finanzsektors dürfen wir nicht vergessen,
dass noch einige Rechnungen offen sind. Die Schäden, die durch das Fehlverhalten im Finanzsektor entstanden sind, sind nämlich
noch längst nicht bezahlt. Es war richtig, während der dramatischen Krisentage im Herbst 2008 den Bankensektor zu retten.
Es war richtig, dass die Gesellschaft unter massivem Einsatz von Steuermitteln für die Stabilität des Finanzsektors eingetreten
ist, denn ansonsten wären die Schäden für alle noch viel größer gewesen. Der Einsatz der Steuermittel für die Rettung der
Banken und die Folgeschäden in Gestalt des dramatischen Konjunktureinbruchs haben die Staatsverschuldung überall merklich
ansteigen lassen. Inzwischen gilt sie als das größte Problem der Wirtschaftspolitik, was natürlich vollkommen übertrieben
ist und
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