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Des Sieges bittere Tränen

Des Sieges bittere Tränen

Titel: Des Sieges bittere Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nie. Laska, brich aus, brich zur Seite aus. Tu mir den Gefallen, spring nicht. Renn an dieser verfluchten Mauer vorbei. Wir brechen uns den Hals. Laska, mein Schätzchen, mein Liebling, spring nicht.
    Hartung gab die Zügel frei. Jetzt bricht sie aus, dachte er. Jetzt ist sie sich selbst überlassen. Und jedes Pferd hat Angst vor einem solchen Sprung. Laska, nicht springen!
    Es war, als schwebte Hartung plötzlich. Er hielt sich im Sattel, warf sich instinktiv nach vorn und umklammerte die Zügel. Das ist nicht möglich, dachte er dabei. Das träume ich jetzt. Sie hat Flügel bekommen. Laska. Laska.
    Der Boden hatte sie wieder. Der Aufprall warf Hartung zurück, wie betäubt ritt er weiter, umbraust von einem Jubelschrei, der über ihm zusammenschlug wie eine riesige Woge.
    2 Meter 10. Wer kann das begreifen?
    Er ritt vom Platz, rutschte aus dem Sattel in die Arme von Fallersfeld und vergrub sein Gesicht an dem schweißnassen Hals von Laska. Er hörte Romanowski brüllen wie einen Stier, und er hörte Angelas Stimme, die immer wieder rief: »Laßt ihn doch in Ruhe! Laßt ihn doch! Er kann nicht mehr, seht ihr das denn nicht?«
    Hartung legte beide Arme um Laskas Hals, und wie immer in den vergangenen zwei Jahren streichelte sie mit ihren weichen Nüstern seinen Nacken.
    Das Wunderpferd Laska war geboren. Die Welt lag offen vor ihnen – eine Welt, die sie feierte, als hätten sie einen neuen Planeten erobert.
    Eine gnadenlose Welt, die jetzt nur noch Siege sehen wollte.

Besuch um Mitternacht
    Seit Tagen sprach man in Rom von nichts anderem als von der Coppa d'Italia, dem größten Reiterpreis, den Italien zu vergeben hat. Kolonnen von Anstreichern und Gärtnern brachten das Stadion auf Hochglanz, die Tribünen glänzten weiß in der Sonne, die amphitheatralisch aufsteigenden Sitzreihen wurden repariert, an hundert Fahnenstangen flatterten die Fahnen von siebzehn Nationen im heißen römischen Wind. Die Hindernisse wurden aufgebaut.
    Mit Güterzügen und in langen Wagenkolonnen trafen die Pferde und Reiter ein. Auf den Flugplätzen landeten die schweren Transportmaschinen. Vermummte, bandagierte Tiere kletterten vorsichtig aus den Spezialboxen. Pferde, behütet wie wertvolle Diamanten, betreut von Pflegern, die nichts auf der Welt kannten als ihren Pflegling, wurden umgeladen in die fast luxuriösen Transporter. Millionenwerte auf vier Beinen – oder Stolz des Landes, das sie auf dem Parcours vertraten.
    Im Zimmer 19 des Hotels ›Michelangelo‹ saßen um diese Zeit vier ehrenwerte Herren. Sie tranken Fruchtsäfte, rauchten ägyptische Zigaretten, fächelten sich mit Zeitungen Luft zu und schwitzten ausgiebig. Vor der Zimmertür hing ein Schild ›Bitte nicht stören‹, und bei dem, was diese Herren besprachen, durften sie auch nicht gestört werden.
    »Wir haben vierzig Millionen Lire zu verlieren«, sagte ein dicker, kleiner Mann mit krausem schwarzem Haar. Er saß in einem Sessel, hatte die Beine weit von sich gestreckt und sprach mit einer Zigarette im Mundwinkel. Im Gästebuch des Hotels stand hinter dem Namen Ricardo Bonelli bescheiden: Großhändler. Er war vor dem ›Michelangelo‹ mit einem sündhaft teuren Maserati vorgefahren; die Geschäfte schienen also gut zu gehen, sein Anzug besaß das gewisse Etwas eines vorzüglichen Schneiders, und seine Sprache war frei von irgendwelchen Dialektanklängen. Ein wahrer Ehrenmann, wie die drei anderen, die abwechselnd tranken und sich den Schweiß abwischten.
    »Vierzig Millionen«, wiederholte Bonelli eindringlich. »Und ich habe die Absicht, den Einsatz um weitere zwanzig Millionen zu erhöhen, wenn wir uns jetzt einig werden, Signori. Ich habe auf ›Franco‹ unter Locatelli gesetzt, ein verdammt sicherer Tip, denn wer kann Locatelli in seiner heutigen Form schlagen? Wo gibt es ein Pferd wie ›Franco‹?«
    »Auf der ganzen Welt nicht«, sagte ein mittelgroßer, schlanker Mann, der mitten auf dem Kopf eine kahle Stelle hatte wie eine Priestertonsur. »Wozu Ihre Aufregung, Bonelli?«
    »So dämlich fragt ein Kind, das in die Hose gemacht hat: Mama, was ist das?« Bonelli zog den Zigarettenqualm durch die Nase und hielt eine Zeitung hoch. »Haben Sie noch nicht gelesen?«
    »Sofia Loren soll wieder schwanger sein«, sagte der Mann mit der teilweisen Glatze. »Mein Gott, es ist Sauregurkenzeit!«
    »Stefano, Sie bringen mich um mit Ihrer Ruhe.« Bonelli wedelte wild mit der Zeitung. »Wissen Sie, wen die deutsche Equipe mitbringt?«
    »Immer der alte Hut.

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