Des Teufels Alternative
»geführt«, den der Westen jemals im Herzen des Kremls gehabt hatte. Die Firma würde ihm Vorwürfe machen, weil er gegen seine Dienstpflichten verstoßen und seine Vorgesetzten nicht von Anfang an über die Identität des Spions informiert hatte. Aber sie konnten nicht bestreiten, daß es ihm gelungen war, ihnen äußerst wertvolles Material zu verschaffen.
Noch drei Wochen, dann war Walentina aus dieser Stadt heraus – war in London, in Sicherheit. Auch er war dann nicht mehr hier, sondern würde den Dienst quittiert haben, um anderswo ein neues Leben zu beginnen, mit der einzigen Frau, die er liebte, die er jemals geliebt hatte und jemals lieben würde.
Er freute sich darauf, Moskau mit seinen endlosen Heimlichkeiten und der geisttötenden Eintönigkeit verlassen zu können. In zehn Tagen würden die Amerikaner ihren Abrüstungsvertrag, der Kreml sein Getreide und die dringend benötigten technologischen Einrichtungen und die Firma Dank und Anerkennung aus Downing Street und Weißem Haus bekommen. Eine Woche später würde er seine zukünftige Frau haben – und sie die ersehnte Freiheit. Munro kroch tiefer in seinen dicken Wintermantel mit dem Pelzkragen und ging über die Brücke weiter.
In Moskau war es 24 Uhr – und 22 Uhr in Holland, vor dessen Küste die Freya nun endlich vor Anker lag. Sie hatte von Chita nach Abu Dhabi 7085Seemeilen zurückgelegt. Vom Persischen Golf bis zu ihrem jetzigen Ankerplatz hatte sie weitere 12 015 Seemeilen hinter sich gebracht. Jetzt lag sie unbeweglich in der schwachen Gezeitenströmung, gehalten von einem einzelnen Buganker. Die Glieder der Ankerkette waren je fast einen Meter lang, und ihr Stahl war dicker als der Oberschenkel eines Mannes.
Wegen ihrer ›Behinderung‹ hatte Kapitän Larsen die Freya von den Orkney-Inseln an mit Hilfe zweier Navigationsoffiziere und des Rudergängers selbst geführt. Auch während sie über Nacht vor Anker lag, ließ er seinen Ersten Offizier Stig Lundquist, seinen Dritten Offizier Tom Keller, einen Amerikaner dänischer Abstammung, und einen Matrosen als Wache auf der Brücke zurück. Die Offiziere hatten ständig Ankerwache zu gehen, und der Matrose sollte in regelmäßigen Abständen das Deck inspizieren.
Obwohl die Maschinenanlage der Freya weitgehend stillgelegt war, summten eine Turbine und die Generatoren gleichmäßig weiter, um den Strom zu liefern, den sie brauchte, damit ihre Systeme arbeiteten.
Zu den Hilfsmitteln der Schiffsführung gehört auch die ständige Auswertung der Gezeiten- und Wetterinformationen. Sie gaben in dieser Nacht nicht zu der geringsten Beunruhigung Anlaß. Larsen hätte es mit Märzstürmen zu tun haben können. Statt dessen hatte ein für diese Jahreszeit ungewöhnliches stationäres Hoch über der Nordsee und dem Kanal den Küsten mildes Frühlingswetter beschert. Die See war fast spiegelglatt; eine schwache Strömung lief mit einer Geschwindigkeit von etwa einem Knoten nach Nordosten zu den West- und Ostfriesischen Inseln. Der Himmel war tagsüber überwiegend wolkenlos blau gewesen; nachts würde sich bei klarem Himmel leichter Dunst bilden, aber das Wetter versprach wieder schön zu werden.
Der Kapitän wünschte seinen Offizieren eine gute Nacht, verließ die Brücke und stieg eine Ebene tiefer aufs D-Deck hinunter, wo an Steuerbord seine Suite lag. Vier Fenster der geräumigen, behaglich eingerichteten Wohnkabine gaben den Blick zum Schiffsbug frei, weitere zwei gingen nach Steuerbord hinaus. An den Wohnraumschlossen sich Bad und Schlafraum an. Auch der Schlafraum hatte zwei Fenster nach Steuerbord. Bis auf ein Fenster in der Wohnkabine, das sich aufschrauben und öffnen ließ, waren alle Fenster in die Wand der Aufbauten eingelassen.
Vorn fielen die Aufbauten senkrecht zum Deck hinunter ab; an Steuerbord gingen die Fenster auf drei Meter breite Grätings hinaus, die von der Steuerbordreling begrenzt waren. Ein stählerner Niedergang führte – von waagrechten Grätings unterbrochen – vom Brückendeck an Larsens Kabine vorbei zum A-Deck hinab. Diese Niedergänge waren nicht überdacht, sondern Wind und Wetter ausgesetzt. Sie wurden seltener benützt als die innenliegenden Treppenhäuser, die beheizt wurden.
Thor Larsen nahm die Papierserviette von dem Teller mit kaltem Huhn und Salat, den der Chefsteward ihm hingestellt hatte, warf einen sehnsüchtigen Blick auf die Flasche Scotch im Barschrank und gab sich mit einer Tasse Kaffee aus der Kaffeemaschine zufrieden. Nach dem
Weitere Kostenlose Bücher