Des Teufels Alternative
anderer Art. Harry Wennerström war am 30. März eingetroffen und hatte die beste Suite im Hilton genommen.
Er war mit seinem Privatjet gekommen, der jetzt auf dem Flughafen Schiedam am Stadtrand abgestellt war. Tagsüber war Wennerström von vier Sekretärinnen umgeben, die die letzten Vorbereitungen für das Eintreffen der Gäste überwachten, der skandinavischen und niederländischen Prominenten, Konzernherren aus Ölindustrie und Schiffahrt und der mehr als fünfzig Reporter, die am 1. April an Wennerströms Abendempfang für Kapitän Thor Larsen und seine Offiziere teilnehmen würden.
Eine ausgewählte Anzahl von Prominenten und Reportern sollte sich auf Wennerströms Einladung hin auf dem Flachdach der Schiffsleitstelle Maas Control an der äußersten Spitze der Landzunge von Hoek van Holland versammeln. Von hier aus würden sie verfolgen können, wie sechs Schlepper die Freya die letzten Kilometer stromaufwärts von der Maasmündung in den Calandkanal und danach in den Beerkanal und zu Clint Blakes neuer Ölraffinerie mitten im Europort bugsierten.
Während die Freya nachmittags ihre Systeme stillegte, würde die Gruppe in einer Wagenkolonne die 40 Kilometer lange Strecke flußaufwärts nach Rotterdam zurückfahren, wo der festliche Empfang stattfinden sollte. Vorher war eine Pressekonferenz geplant, auf der Wennerström Thor Larsen der Weltpresse vorstellen wollte. Wennerström wußte, daß Presse und Fernsehen bereits Hubschrauber gechartert hatten, um über das Einlaufen und Anlegen der Freya aus nächster Nähe berichten zu können.
Harry Wennerström war ein zufriedener alter Mann.
In den Morgenstunden des 30. März hatte die Freya die Straße zwischen den Orkney- und den Shetland-Inseln längst passiert. Sie lief nun auf Südsüdostkurs die schottisch-englische Küste entlang. Als sie die vielbefahrenen Nordseerouten erreicht hatte, hatte sie sich über Funk gemeldet und als erstes mit der Verkehrsleitstelle in Wick an der Küste von Caithness im äußersten Norden Schottlands Verbindung aufgenommen.
Wegen ihrer Größe und ihres Tiefgangs galt sie als »behindertes Schiff«. Sie hatte ihre Fahrt auf zehn Knoten herabgesetzt und befolgte die von Wick erteilten Anweisungen. Die nächsten Leitstellen hatten das Schiff bereits auf ihren Radarschirmen, vor denen kochqualifizierte Radarlotsen saßen. Die Leitstellen arbeiten mit Computersystemen, die ununterbrochen alle einlaufenden Informationen über Windverhältnisse, Gezeiten, Strömungen und die jeweils herrschende Verkehrsdichte auswerten.
Während die Freya auf der nach Süden führenden Route weiterkroch, wurden kleinere Schiffe von den Leitstellen angewiesen, ihr auszuweichen. Um Mitternacht passierte der Tanker Flamborough Head an der Küste von Yorkshire und steuerte dann einen östlicheren Kurs, um von England nach Holland zu gelangen. Auf ihrer Fahrt die Küste hinab war die Freya der Tiefwasserfahrrinne mit ihrer Mindesttiefe von 20 Faden gefolgt. Trotz der ständigen Anweisungen von Land kontrollierten Wachoffiziere auf der Brücke die Echolotpeilungen und beobachteten, wie die Untiefen und Sandbänke der Nordsee auf beiden Seiten des Tankers vorüberglitten.
Am 31. März steuerte die Riesin, die ihre Fahrt inzwischen auf fünf Knoten herabgesetzt hatte – eine Geschwindigkeit, bei der gerade noch eine Ruderwirkung auszumachen war –, genau 15 Seemeilen östlich des Outer Gabbard Lights nach Osten und lief ihren Liegeplatz für die kommende Nacht an: den Tiefwasserankerplatz auf 52 Grad nördlicher Breite. Sie lag dort 27 Seemeilen westlich der Maasmündung – 27 Seemeilen von einem triumphalen Empfang entfernt.
In Moskau war es Mitternacht. Adam Munro hatte beschlossen, von dem Empfang in der Britischen Botschaft zu Fuß nach Hause zu gehen. Der Leiter der Handelsabteilung hatte ihn im Auto zu der Einladung mitgenommen. Munros Wagen stand vor seinem Apartment am Kutusow-Prospekt.
Munro blieb mitten auf der Serafimowbrücke stehen und starrte auf das Wasser der Moskwa hinab. Rechts von ihm hatte er die beleuchtete cremefarben und weiß gestrichene Fassade der Botschaft; links über ihm ragte die dunkelrote Kremlmauer auf, hinter der das Obergeschoß und die Kuppel des großen Zarenpalastes sichtbar waren.
Er war vor zehn Monaten aus London gekommen, um seinen neuen Posten zu übernehmen. In diesem Zeitraum war ihm der größte Spionagecoup der letzten Jahrzehnte geglückt: Er hatte den einzigen Spion
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