Des Teufels Alternative
Verteidigungsminister machte seiner Empörung Luft. »Jetzt leiden in ganz Skandinavien dreißig Familien – und nicht nur eine. Diese Kerle setzen uns wirklich ganz schön unter Druck!«
»Das werden auch die vier skandinavischen Regierungen tun, und ich werde es nicht leicht haben, ihre Botschafter zu beschwichtigen«, sagte der Außenminister. »Wir haben praktisch keine andere Wahl mehr…«
Als der Bundeskanzler abstimmen ließ, ergab sich eine Mehrheit für den Vorschlag des Außenministers. Er erhielt den Auftrag, den deutschen Botschafter in Jerusalem anzuweisen, den israelischen Ministerpräsidenten so schnell wie möglich aufzusuchen und um die von den Geiselnehmern geforderten Zusicherungen zu bitten. Sobald die israelische Regierung die entsprechende Garantieerklärung abgegeben hatte, wollte die Bundesregierung bedauernd mitteilen, sie sehe, um weiteres Blutvergießen zu verhindern und Unschuldigen zusätzliches Leid zu ersparen, keine andere Möglichkeit, als Mischkin und Lasareff nach Israel auszufliegen.
»Die Terroristen verlangen diese Garantieerklärung aus Israel bis Mitternacht«, stellte der Bundeskanzler fest. »Und bei Tagesanbruch müssen die beiden Russen in einem Flugzeug sitzen. Wir halten jede Verlautbarung zurück, bis Jerusalem zugestimmt hat. Ohne das Einverständnis der israelischen Regierung können wir ohnehin nichts unternehmen.«
Aufgrund eines Beschlusses der betroffenen Staaten blieb die RAF-Nimrod das einzige Flugzeug am Himmel über der Freya. Dort zog sie unablässig ihre Kreise, beobachtete das Schiff und sendete Fernsehbilder, sobald sich unter ihr etwas Auffälliges ereignete. Die Bilder gelangten über London unverzüglich in die Hauptstädte der betroffenen Staaten.
Um 17 Uhr wurde die Wache an Bord des Tankers gewechselt. Die beiden Männer vom Bug und vom Schiffsschornstein, die dort zehn Stunden ausgehalten hatten, kamen steif und durchfroren herein, um sich aufzuwärmen, zu essen und zu schlafen. Die Nachtwache übernahmen andere, die mit Sprechfunkgeräten und starken Handscheinwerfern ausgerüstet waren.
Das Stillhalteabkommen zwischen den beteiligten Staaten galt für den Luftraum über der Freya , nicht auch für Schiffe. Alle Anrainerstaaten wollten die Freya durch ihre eigene Marine beobachten lassen. Am späten Nachmittag lief der französische leichte Kreuzer Montcalm unauffällig aus Süden heran und drehte fünf Seemeilen von der Freya entfernt bei. Von Norden her kam die holländische Fregatte Breda , die vor den Westfriesischen Inseln gestanden hatte, und ankerte sechs Seemeilen vor dem hilflosen Tanker.
Dort stieß die deutsche Fregatte Brunner zu ihr. Die beiden Kriegsschiffe lagen fünf Kabellängen voneinander entfernt und beobachteten die Schiffssilhouette am südlichen Horizont. Auch HMS Argyll war in Marsch gesetzt worden und nahm ihre Position genau westlich der Freya ein, als der Abendstern am wolkenlosen Himmel erschien.
Die Argyll war ein leichter, knapp 6000 Tonnen großer Raketenkreuzer, dessen Bewaffnung aus Lenkwaffen des Typs Exocet bestand. Mit ihren modernen Gasturbinen, die neben den Dampfturbinen auf die Welle geschaltet werden konnten, war sie jederzeit auslaufbereit.
Der Datalink-Computer tief in ihrem Rumpf stand mit der am Abendhimmel kreisenden Nimrod in Verbindung. Auf einer erhöhten Heckplattform hatte die Argyll ihren eigenen Hubschrauber, eine Westland Wessex, mitgeführt.
Unter Wasser umgaben die Sonar-Ohren der Kriegsschiffe die Freya von drei Seiten; über Wasser suchten ihre Radargeräte unaufhörlich das Meer ab. Gemeinsam mit der Nimrod umgaben die Schiffe die Freya mit einem unsichtbaren Kokon aus Suchimpulsen. Der Supertanker lag stumm und still da, während die Sonne über England unterging.
In Westeuropa war es 17, in Israel bereits 19 Uhr, als der deutsche Botschafter in Jerusalem um eine persönliche Unterredung mit Ministerpräsident Benjamin Golen bat. Er erhielt die Auskunft, der Sabbat habe vor einer Stunde begonnen, und der Ministerpräsident halte sich als strenggläubiger Jude zu Hause auf. Trotzdem wurde die Bitte weitergeleitet, denn das Büro des Ministerpräsidenten und Golen selbst wußten recht gut, was sich in der Nordsee abspielte. Seitdem Thor Larsen um 9 Uhr die erste Erklärung verlesen hatte, war die Regierung in Jerusalem von Mossad Alijah Bet, dem israelischen Geheimdienst, auf dem laufenden gehalten worden, und seitdem die um 12 Uhr gestellten Forderungen der
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