Des Teufels Alternative
mußte.
»Ich habe gefragt, ob Sie die ›Freya‹ sehen wollen«, sagte der Pilot. Lisa Larsen nickte.
Der Jet flog nach einer Kursänderung aufs Meer hinaus und legte sich fünf Minuten später in eine sanfte Rechtskurve. Lisa Larsen preßte auf ihrem Platz das Gesicht ans Fenster und starrte hinab. Tief unter ihr lag die Freya in der blauen See vor Anker. In der näheren Umgebung des Tankers waren keine anderen Schiffe zu sehen; er war in seiner Gefangenschaft völlig allein.
In der klaren Frühlingsluft konnte Lisa Larsen selbst aus 5000Meter Höhe die Brücke erkennen. Dort unten saß ihr Mann einem Terroristen gegenüber, der ihn mit einer Waffe bedrohte, und hatte eine Ladung Dynamit unter den Füßen. Sie wußte nicht, ob der Bewaffnete geistesgestört, brutal oder tollkühn war. Aber sie wußte, daß er ein Fanatiker sein mußte.
Zwei Tränen lösten sich von ihren Augen und liefen ihr über die Wangen. Die Isolierglasscheibe beschlug, als sie etwas flüsterte.
»Thor, mein Liebling, bitte komm dort heil raus.«
Die Gulfstream II nahm wieder Kurs auf Schiedam und ging in einen steilen Sinkflug über. Sie war von der mehrere Kilometer entfernten Nimrod beobachtet worden.
»Wer war das?« fragte der Radarbeobachter in die Kabine hinein.
»Wer war was?« erkundigte sich der Sonarbeobachter, der im Augenblick nichts zu tun hatte.
»Ein kleiner Jet hat sich die ›Freya‹ kurz angesehen und ist nach Rotterdam weitergeflogen.«
»Wahrscheinlich der Reeder, der nach seinem Eigentum gucken wollte«, meinte der Witzbold der Besatzung vom Funkgerät her.
An Deck der Freya beobachteten die beiden Terroristen die winzige Maschine, die nach Osten in Richtung holländische Küste abflog. Diesen Überflug brauchten sie ihrem Anführer nicht zu melden; er mußte in weit über 10 000Fuß Höhe geschehen sein.
Die Kabinettssitzung begann pünktlich um 15 Uhr im Bundeskanzleramt. Der Bundeskanzler führte dabei wie üblich den Vorsitz. Er kam wie üblich sofort zur Sache.
»Eines möchte ich von Anfang an klarstellen: Wir haben es hier nicht mit einem zweiten Mogadischu zu tun. Diesmal handelt es sich nicht um ein deutsches Flugzeug mit deutscher Besatzung und überwiegend deutschen Passagieren auf dem Flughafen eines Landes, dessen Behörden bereit sind, mit uns zusammenzuarbeiten. Die ›Freya‹ ist ein schwedisches Schiff mit einem norwegischen Kapitän, das in internationalen Gewässern liegt; ihre Besatzung kommt aus fünf Staaten, unter denen auch die USA sind, ihre Ladung ist amerikanisches Eigentum, das bei einer englischen Firma versichert ist, und ihre Versenkung würde mindestens fünf Küstenstaaten treffen – nicht zuletzt auch uns.«
Nach dieser knappen Einleitung erteilte der Bundeskanzler dem Außenminister das Wort, der seinen Kollegen berichtete, Finnland, Norwegen, Schweden, Dänemark, die Niederlande, Belgien, Frankreich und Großbritannien hätten bereits sondiert, welche Absichten die Bundesregierung mit Mischkin und Lasareff habe.
»Sie sind natürlich höflich genug, keinerlei Druck auf unsere Entscheidung auszuüben«, fügte er hinzu, »aber ich zweifle nicht daran, daß sie eine Weigerung von unserer Seite, die beiden Häftlinge nach Israel ausfliegen zu lassen, als unfreundlichen Akt betrachten würden.«
»Wenn man erst einmal anfängt, sich von Terroristen erpressen zu lassen, hat die Erpresserei kein Ende mehr«, warf der Verteidigungsminister ein.
»Als vor einigen Jahren Peter Lorenz entführt worden ist, haben wir nachgegeben und dafür büßen müssen«, stellte der Außenminister fest. »Die freigelassenen Terroristen sind nach einiger Zeit aus dem Ausland zurückgekommen und haben weiteragiert. In Mogadischu sind wir hart geblieben und haben gesiegt; im Fall Schleyer sind wir ebenfalls hart geblieben und haben dann einen Toten zu beklagen gehabt. Aber alle diese Vorfälle sind sozusagen innerdeutsche Angelegenheiten gewesen. Der Fall hier liegt anders. Die Geiseln sind keine Deutschen; Schiff und Ladung gehören nicht Deutschen. Außerdem sind die in Berlin inhaftierten Flugzeugentführer keine deutschen Terroristen. Sie sind Juden, die auf dem einzigen Weg, der ihnen möglich erschien, aus der Sowjetunion geflohen sind. Das bringt uns, offen gestanden, in eine prekäre Lage.«
»Kann das Ganze nicht nur ein großes Täuschungsmanöver sein?« fragte jemand. »Vielleicht können die Geiselnehmer die ›Freya‹ gar nicht sprengen?«
Der Innenminister schüttelte
Weitere Kostenlose Bücher