Des Teufels Alternative
den Kopf.
»Damit dürfen wir nicht rechnen. Die von den Engländern übermittelten Aufnahmen zeigen, daß tatsächlich bewaffnete maskierte Männer an Bord sind. Ich habe die Fotos dem Kommandeur von GSG neun geschickt und ihn um sein Urteil gebeten. Bedauerlicherweise hat seine Truppe keine Erfahrung, was die Annäherung an ein durch Radar und Sonar gesichertes Schiff betrifft. Für ein Enterkommando bräuchte man Taucher oder Froschmänner.«
Mit GSG 9 meinte der Innenminister die aus ausgesuchten Freiwilligen bestehende Sondereinheit des Bundesgrenzschutzes, die fünf Jahre zuvor die nach Mogadischu entführte LufthansaMaschine gestürmt hatte.
Die Diskussion zog sich über eine Stunde hin. War es besser, angesichts der Tatsache, daß die Geiseln nicht Deutsche, sondern Angehörige verschiedener anderer Nationen waren, die Forderungen der Terroristen zu erfüllen und die unvermeidlichen Proteste Moskaus hinzunehmen? Oder sollte man sich weigern und sie zwingen, ihre Karten auf den Tisch zu legen? Oder war es ratsam, eine gewaltsame Befreiungsaktion ernsthaft in Betracht zu ziehen und darum schon jetzt Verbindung mit den Engländern aufzunehmen? Schließlich schien sich eine Kompromißlösung, die darauf abzielte, zunächst Zeit zu gewinnen und die Entschlossenheit der Geiselnehmer auf die Probe zu stellen, durchzusetzen.
Um 16 Uhr 15 wurde an die Tür des Sitzungssaals geklopft. Der Bundeskanzler runzelte die Stirn. Er hatte sich jegliche Störung verbeten.
»Herein!« rief er scharf. Einer seiner Mitarbeiter betrat den Raum und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Der Bundeskanzler wurde blaß.
»Großer Gott!« sagte er halblaut.
Als das Sportflugzeug, eine – wie sich später herausstellte – auf dem Flugplatz Le Touquet an der nordfranzösischen Küste gecharterte Cessna Skyhawk, seinen Anflug begann, erschien es auf den Radarschirmen dreier Bezirkskontrollstellen: London, Brüssel und Amsterdam. Es flog in niedriger Höhe nach Norden – genau auf die Freya zu. Mehrere Fluglotsen versuchten gleichzeitig, den Piloten zu warnen.
»Unbekannte Maschine über … Sofort auf Gegenkurs gehen… Sie fliegen in ein Sperrgebiet ein … Gehen Sie sofort auf Gegenkurs und erwarten Sie weitere Anweisungen …«
Die Anrufe erfolgten auf französisch, englisch und holländisch. Aber sie blieben wirkungslos. Das Funkgerät konnte ausgefallen sein, der Pilot konnte es aber auch abgeschaltet oder die falsche Frequenz eingestellt haben. Die Fluglotsen riefen die Maschine immer wieder, aber sie gab auch weiterhin keine Antwort.
Der Pilot der Cessna Skyhawk wandte sich verzweifelt an seinen Passagier.
»Das kostet mich meinen Pilotenschein!« rief er. »Dort unten ist der Teufel los!«
»Schalten Sie einfach ab!« antwortete der Fluggast. »Keine Angst, Ihnen passiert schon nichts! Sie haben nie was gehört, okay?«
Der Mann auf dem rechten Sitz nahm seine Kamera und stellte das Teleobjektiv ein. Er visierte den ins Bild rückenden Supertanker an. Der maskierte Ausguck am Bug des Schiffs richtete sich auf und kniff die Augen zusammen, weil die im Südwesten stehende Sonne ihn blendete. Das Sportflugzeug kam genau aus Süden. Er verfolgte den Flug der Maschine nur wenige Sekunden lang, dann holte er ein Funksprechgerät aus seinem Anorak und sprach hastig hinein.
Auf der Brücke hörte einer der Terroristen die Warnung, starrte durch die großen Scheiben nach vorn und lief dann auf die Brückennock hinaus. Jetzt hörte auch er das Brummen des Flugzeugmotors. Er stürzte ins Ruderhaus zurück, rüttelte seinen schlafenden Kameraden wach und erteilte ihm in scharfem Ton mehrere Befehle. Der Mann rannte aufs D-Deck hinunter und klopfte an die Tür von Larsens Kabine.
In der Kabine saßen Thor Larsen und Andrej Drach einander noch immer am Tisch gegenüber. Ihre unrasierten Gesichter wirkten müde, noch müder als zwölf Stunden zuvor. Auf dem Tisch lag die Pistole des Ukrainers. Dort stand jetzt auch ein Transistorradio, mit dem er die Nachrichtensendungen abhörte. Der Maskierte trat auf Aufforderung seines Anführers ein und erstattete auf ukrainisch Meldung. Drach runzelte die Stirn und wies den Mann an, die Bewachung des Kapitäns zu übernehmen.
Er verließ die Kabine und rannte zur Brücke hinauf. Bevor er auf die Brückennock trat, zog er sich seine schwarze Mütze über. Er beobachtete, wie die Cessna den Tanker in etwa 300Meter Höhe umkreiste. Der Fotograf mit dem großen Teleobjektiv war deutlich zu
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