Des Teufels Alternative
Meldung kam aus dem Lautsprecher des Transistorradios in Kapitän Thor Larsens Kabine. Drake, der den Kapitän keine Sekunde aus den Augen ließ, hatte bei herabsinkender Dämmerung Licht gemacht und die Vorhänge zugezogen. In der Kabine war es hell, warm und beinahe gemütlich. Die Kaffeemaschine war bereits fünfmal nachgefüllt worden. Beide Männer waren stoppelbärtig und müde. Aber der Seemann trauerte um einen Freund, während der fanatische Ukrainer triumphierte.
»Israel ist einverstanden!« sagte Drake. »Und ich hab gewußt, daß die Deutschen nachgeben würden! Das Risiko ist ihnen eben doch zu hoch gewesen!«
Thor Larsen hätte erleichtert aufatmen können. Sein Schiff schien gerettet zu sein. Aber Zorn und Erbitterung waren stärker.
»Die Sache ist noch nicht ausgestanden«, knurrte er.
»Doch!« widersprach Drake. »Bald ist alles vorüber. Wenn meine Freunde um acht Uhr ihre Zellen verlassen, sind sie um dreizehn, spätestens um vierzehn Uhr in Tel Aviv. Setzt man eine Stunde für die Identifizierung und die offizielle Bekanntgabe ihrer Ankunft an, müßten wir die Meldung morgen um fünfzehn oder sechzehn Uhr im Radio hören. Nach Einbruch der Dunkelheit verlassen wir dann die ›Freya‹, deren Besatzung heil und gesund zurückbleibt!«
»Bis auf Tom Keller!«
»Tut mir leid, daß das sein mußte. Aber diese Demonstration unserer Entschlossenheit war nötig. Ich hatte keine andere Wahl.«
Das Ersuchen des sowjetischen Botschafters war ungewöhnlich, sogar sehr ungewöhnlich, weil es in energischem Ton vorgetragen und mehrfach ungeduldig wiederholt wurde. Obwohl sowjetische Diplomaten einen angeblich revolutionären Staat vertreten, halten sie sich im allgemeinen peinlich genau an die vom kapitalistischen Westen festgelegten diplomatischen Gepflogenheiten.
David Lawrence fragte am Telefon mehrmals, ob es Botschafter Konstantin Kirow nicht genüge, mit ihm, dem amerikanischen Außenminister, zu sprechen. Kirow erwiderte, er habe seine Mitteilung unmittelbar Präsident Matthews zu machen. Die Angelegenheit dulde keinen Aufschub und betreffe Dinge, auf die der sowjetische Staats- und Parteichef Präsident Matthews persönlich aufmerksam zu machen wünsche.
Der Präsident war bereit, Kirow zu empfangen, und die langgestreckte schwarze Limousine mit dem Hammer-und-Sichel-Emblem fuhr am frühen Nachmittag vor dem Weißen Haus vor.
In Europa war es 18 Uhr 45, aber in Washington zeigten die Uhren erst 13 Uhr 45 an. Der Botschafter wurde unverzüglich ins Ovale Zimmer geführt, wo ihn Matthews gespannt und neugierig erwartete. Die Begrüßungsformalitäten wurden eingehalten, aber keiner der beiden Männer war, was das betraf, recht bei der Sache.
»Mr. President«, begann Kirow, »ich habe mich auf persönliche Anweisung des Vorsitzenden der Obersten Sowjets, Maxim Rudin, um dieses dringende Gespräch mit Ihnen bemüht. Ich habe den Auftrag, Ihnen eine persönliche Botschaft zu übermitteln, ohne sie irgendwie abzuändern. Sie lautet:
Sollten die Flugzeugentführer und Mörder Lew Mischkin und Dawid Lasareff aus der Haft entlassen werden und ihrer gerechten Strafe entgehen, sieht die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken sich außerstande, den Dubliner Vertrag zu unterzeichnen. Die Regierung der Sowjetunion wird in diesem Fall den Vertragsentwurf unwiderruflich ablehnen.«
Präsident Matthews starrte den sowjetischen Botschafter in sprachlosem Erstaunen an. Er brauchte einige Sekunden, um seine Fassung widerzugewinnen.
»Soll das heißen, daß Maxim Rudin den Vertrag einfach zerreißen würde?«
Kirow blieb steif, förmlich, unnachgiebig.
»Mr. President, das war der erste Teil der Botschaft, die ich Ihnen zu übermitteln habe. Der zweite lautet: Die Folgen werden dieselben sein, sollten Wortlaut oder Inhalt dieser Botschaft bekanntgegeben werden.«
Als der Botschafter den Raum verlassen hatte, wandte William Matthews sich hilflos an Lawrence.
»Was geht hier vor, David? Wir können die deutsche Regierung doch nicht veranlassen, ihre Entscheidung rückgängig zu machen, ohne ihr den Grund dafür zu nennen!«
»Mr. President, ich fürchte, daß Ihnen nichts anderes übrigbleiben wird. Rudin hat Ihnen keine andere Wahl gelassen.«
Kapitel 14
19.00 bis 24.00 Uhr
Präsident Matthews war von dieser unerwarteten und brutalen sowjetischen Reaktion wie vor den Kopf geschlagen. Er saß wartend in seinem Arbeitszimmer, während sein Sicherheitsberater Stanislaw
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