Des Teufels Alternative
und Parteichef hinüber. Er hatte den mächtigsten Mann der Sowjetunion mehrmals bei offiziellen Anlässen gesehen, aber noch nie aus solcher Nähe erlebt. Der alte Mann sah müde und überanstrengt aus.
Obwohl Rudin kein Englisch sprach, hatte er keinen Dolmetscher hinzugezogen. Er mußte sich in der Zwischenzeit nach Munro erkundigt haben und wußte vermutlich recht gut, daß sein Besucher ein britischer Diplomat war, der perfekt Russisch sprach.
»Der Vorschlag, den ich Ihnen im Auftrag des amerikanischen Präsidenten zu unterbreiten habe«, antwortete Munro, »betrifft eine Möglichkeit, die Terroristen an Bord der ›Freya‹ zu veranlassen, das Schiff zu räumen, ohne daß sie ihren Zweck erreicht haben.«
»Eines möchte ich von Anfang an klarstellen, Mr. Munro: Eine Freilassung Mischkins und Lasareffs kommt für uns nicht in Frage.«
»Darüber wollte ich auch nicht reden, Genosse Vorsitzender. Ich dachte, wir könnten über Juri Iwanenko sprechen.«
Rudin erwiderte ausdruckslos Munros Blick. Dann trank er langsam einen Schluck Milch.
»Einer der beiden Häftlinge hat nämlich bereits etwas verlauten lassen«, behauptete Munro. Um überzeugender argumentieren zu können, mußte er Rudin klarmachen, daß er wußte, was Iwanenko zugestoßen war. Aber solange noch Hoffnung bestand, daß Walentina nicht verhaftet worden war, durfte er nicht zugeben, daß seine Informationen direkt aus dem Kreml stammten.
»Zum Glück hat er mit einem unserer Leute gesprochen«, fuhr Munro fort. »Die Sache ist streng vertraulich behandelt worden.«
»Mit einem Ihrer Leute?« wiederholte Rudin langsam. »Ah, ich verstehe. Wie viele sind eingeweiht?«
»Der Generaldirektor meiner Organisation, die britische Premierministerin, Präsident Matthews und drei seiner engsten Berater. Keiner der Eingeweihten hat die Absicht, sein Wissen öffentlich preiszugeben. Nicht die geringste.«
Rudin machte ein nachdenkliches Gesicht.
»Läßt sich das auch von Mischkin und Lasareff behaupten?« fragte er.
»Das ist das eigentliche Problem«, gab Munro zu. »Das ist das Problem, seitdem die Terroristen, die übrigens ukrainische Emigranten sind, die ›Freya‹ besetzt halten.«
»Ich habe dem amerikanischen Präsidenten bereits meine Meinung gesagt. In dieser Situation gibt es nur einen Ausweg: die ›Freya‹ muß vernichtet werden. Das würde ein paar Menschenleben kosten, aber viele Unannehmlichkeiten ersparen.«
»Noch weniger Unannehmlichkeiten hätte es natürlich gegeben, wenn die Verkehrsmaschine mit den beiden Mördern abgeschossen worden wäre«, sagte Munro.
Rudin warf ihm einen forschenden Blick zu.
»Das ist ein Fehler gewesen«, sagte er ausdruckslos.
»War es auch ein Fehler, daß unsere Black Bird beinahe von zwei MiGs abgeschossen worden wäre?«
Der alte Russe hob ruckartig den Kopf.
»Davon habe ich nichts gewußt!« sagte er mit Nachdruck. Diesmal glaubte Munro ihm sogar.
»Ich behaupte, daß die Vernichtung der ›Freya‹ nichts nützen würde«, fuhr er fort. »Das eigentliche Problem wäre dadurch nicht gelöst. Vor drei Tagen waren Lasareff und Mischkin verhältnismäßig unbedeutende Flüchtlinge, die ein Flugzeug entführt hatten und nun ihre fünfzehn Jahre absitzen müssen. Jetzt sind sie Berühmtheiten. Die Weltöffentlichkeit glaubt, die beiden sollen um ihrer selbst willen befreit werden. Wir dagegen kennen den wahren Grund.
Wird die ›Freya‹ vernichtet, wird sich die ganze Welt fragen, weshalb diese beiden Männer um jeden Preis hinter Gittern bleiben sollten. Bisher ahnt noch niemand, daß nicht ihre Inhaftierung, sondern ihr Schweigen wichtig ist. Sobald die ›Freya‹ mitsamt ihrer Ladung und der Besatzung in Brand gesetzt wird, haben die beiden Häftlinge keinen Grund mehr, weiterhin zu schweigen. Und wenn sie auspacken, wird die Welt ihnen glauben. Wegen der ›Freya‹. Es ist uns also nicht damit geholfen, Lasareff und Mischkin einfach im Gefängnis zu halten.«
Rudin nickte langsam.
»Sie haben recht, junger Mann. Die Deutschen würden ihnen Gehör verschaffen und ihnen ihre Pressekonferenz ermöglichen.«
»Damit ist zu rechnen«, sagte Munro. »Deshalb mache ich Ihnen folgenden Vorschlag …«
Er schilderte Rudin denselben Handlungsablauf, den er in den letzten zwölf Stunden bereits Mrs. Carpenter und Präsident Matthews vorgetragen hatte. Der Russe ließ weder Überraschung noch Entsetzen erkennen – nur Interesse.
»Würde das klappen?« fragte er
Weitere Kostenlose Bücher