Des Teufels Alternative
hat, wie es scheint, sagen wollen, der KGB-Vorsitzende habe ihren Tod befohlen.«
»Aber das KGB hat gar keine Gelegenheit gehabt, an sie heranzukommen! Vor zwölf Stunden sind die Männer noch im Gefängnis Moabit gewesen. Dann haben die Briten sie in ihre Obhut genommen. Und seit zwei Stunden sind sie bei uns. Wie Sie eben selbst sagten, haben die beiden in der Haft weder feste noch flüssige Nahrung zu sich genommen. Wie soll ihnen dann ein schnellwirkendes Gift beigebracht worden sein?«
Barak rieb sich das Kinn. Seine Augen leuchteten auf, als begriffe er plötzlich etwas.
»Es gibt eine Erklärung«, sagte er. »Eine Kapsel, die die Aufnahme des Gifts durch den Körper um einige Stunden verzögert.« Er nahm ein Blatt Papier und zeichnete darauf.
»Eine solche Kapsel besteht aus zwei Hälften, die zusammengeschraubt werden, bevor die Kapsel geschluckt wird.«
Golen starrte auf die Zeichnung.
»Weiter!«
»Die eine Hälfte der Kapsel besteht aus Porzellan, das weder von der Magensäure noch von der wesentlich stärkeren Säure, mit der sie gefüllt ist, zersetzt werden kann. Die andere Hälfte besteht aus einem synthetischen Material, das zwar nicht durch die Magensäure, wohl aber durch die stärkere Säure aufgelöst wird. In dieser zweiten Hälfte ist das tödliche Gift enthalten. Zwischen den beiden Teilen befindet sich eine Kupfermembrane. Sobald die Hälften zusammengeschraubt werden, beginnt die Säure, diese Trennschicht aufzulösen. Die Kapsel wird geschluckt. Je nach Stärke der Kupfermembrane dauert es mehrere Stunden, bis die Säure sich durchgefressen hat. Die Säurezünder von Sprengkapseln arbeiten nach dem gleichen Prinzip.
Nachdem die Säure sich durch die Membrane gefressen hat, löst sie das Material der zweiten Kapselhälfte auf und gibt das Gift frei. Das geht sehr schnell. Soviel ich weiß, kann nach dieser Methode der Zeitpunkt der eigentlichen Vergiftung bis zu zehn Stunden hinausgezögert werden. Die unverdauliche Kapsel ist dann bereits im Darm angelangt. Wenn das Gift austritt, wird es sofort vom Blut aufgenommen und zum Herzen transportiert.«
Barak hatte den Ministerpräsidenten schon früher erregt oderverärgert erlebt. Aber er hatte ihn noch nie blaß vor Zorn gesehen.
»Sie schicken uns zwei Männer mit Giftkapseln im Leib?« flüsterte Golen heiser. »Zwei wandelnde Zeitbomben, die nur so lange zu leben haben, bis sie in unseren Händen sind? Dafür läßt Israel sich nicht verantwortlich machen! Geben Sie sofort bekannt, daß die beiden tot sind. Umgehend, verstanden? Und geben Sie auch bekannt, daß bereits eine Autopsie angeordnet worden ist.«
»Falls die Terroristen noch an Bord der ›Freya‹ sind«, wandte Barak ein, »könnten sie auf diese Meldung hin beschließen, nicht von Bord zu gehen.«
»Das hätten die Leute, die Mischkin und Lasareff vergiftet haben, sich überlegen müssen!« sagte Golen unbeeindruckt. »Wenn wir den Tod der beiden nicht gleich bekanntgeben, wird es heißen, sie seien in Israel ermordet worden. Das lasse ich nicht zu.«
Es wurde dunkler, und der Nebel wurde dichter. Er bedeckte inzwischen die Nordsee von der Küste East Anglias bis nach Zeeland und Südholland. Er verbarg die Flottille von Schleppern und Feuerlöschbooten, die westlich der Kriegsschiffe zusammengedrängt lag, und hüllte auch die grauen Kriegsschiffe ein. Er zog in Schwaden um Cutlass, Sabre und Scimitar , die mit leise laufenden Motoren unter dem Heck der Argyll lagen und auf ein Zeichen warteten, um loszuhetzen und das Wild zu stellen. Und er umgab den größten Tanker der Welt, der immer noch zwischen den Kriegsschiffen und der holländischen Küste vor Anker lag.
Um 18 Uhr 45 verließen alle Terroristen bis auf zwei die Freya. Vier kletterten in das größere der beiden Schlauchboote. Der US-Ukrainer ging an Bord des alten Fischkutters und blickte nach oben.
Andrew Drake, der über ihm an der Reling lehnte, nickte zustimmend. Der Mann ließ den Bootsmotor an und gab probeweise Gas. Der Bug des Kutters zeigte genau nach Westen. Das Ruder war festgezurrt, damit das Boot unbeirrt seinen Kurs hielt. Der Terrorist gab langsam mehr Gas, ließ den Motor aber noch ausgekuppelt laufen.
Einige Meilen entfernt wurde das Motorengeräusch von menschlichen und elektronischen Ohren aufgefangen; knappe Befehle und Anfragen gingen zwischen den Kriegsschiffen, der Argyll und der über ihr kreisenden Nimrod hin und her. Das Radar des Aufklärers konnte vorläufig keine
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