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Des Teufels Alternative

Des Teufels Alternative

Titel: Des Teufels Alternative Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Parteiorganisation saß links von ihm und hatte Iwanenko vom KGB neben sich. Rykow vom Außenministerium blätterte in seinen Unterlagen; Wischnajew, der Theoretiker, und Kerenski, der Marschall, hockten verbissen schweigend da. Rudins Blick wanderte über die sieben anderen, während er zu erraten versuchte, auf welche Seite sie sich schlagen würden, falls es zum offenen Kampf kam.
    Da waren die drei Nichtrussen: Witautas, der Balte aus Wilna; Tschawadse, der Georgier aus Tiflis; und Muchamed, der Tadschick – ein mohammedanischer Orientale. Ihre Aufnahme ins Politbüro war ein Trostpflaster für die Minoritäten gewesen, wobei jeder von ihnen seinen Preis hatte zahlen müssen. Rudin wußte, daß sie alle drei völlig russifiziert waren. Der Preis war hoch gewesen, höher als für einen Großrussen. Jeder von ihnen war Erster Parteisekretär seiner Republik gewesen, und zwei waren es noch immer. Sie hatten ihre Landsleute rücksichtslos unterdrückt und Dissidenten, Nationalisten, Dichter, Schriftsteller, Künstler, Intellektuelle und Arbeiter vernichtet, die es gewagt hatten, gegen die absolute Herrschaft Großrußlands aufzubegehren. Keiner von ihnen konnte ohne den Schutz Moskaus in seine Heimat zurückkehren; alle drei würden sich im Ernstfall auf die Seite schlagen, die ihnen ihr Überleben garantieren konnte – also auf die Seite des Siegers. Rudin legte keinen Wert auf Flügelkämpfe, aber er rechnete damit, seit er in seinem Arbeitszimmer Professor Jakowlews Bericht gelesen hatte.
    Damit blieben noch vier übrig. Sie alle waren Russen: Komarow, der sich offenbar äußerst unwohl fühlende Verantwortliche für die Landwirtschaft; Stepanow, der Gewerkschaftschef; Schuschkin, der Verbindung zu sämtlichen ausländischen kommunistischen Parteien hielt; und Petrjanow, der für Wirtschaftsfragen und den Industrieplan zuständig war.
    »Genossen«, begann Rudin langsam, »Sie alle haben Zeit gehabt, den Bericht Professor Jakowlews zu studieren. Und Sie kennen alle den Bericht des Genossen Komarow, in dem er feststellt, daß im nächsten Herbst unsere Getreideernte um fast hundertvierzig Millionen Tonnen hinter dem Plansoll zurückbleiben wird. Ich schlage vor, die wichtigste Frage zuerst zu behandeln. Kann die Sowjetunion ein Jahr lang mit nicht mehr als hundert Millionen Tonnen Getreide überleben?«
    Die Diskussion dauerte eine Stunde lang. Sie wurde scharf und erbittert geführt, aber das Ergebnis stand außer Zweifel. Eine derartige Getreideknappheit mußte zu Entbehrungen führen, wie sie zuletzt im Zweiten Weltkrieg aufgetreten waren. Selbst wenn der Staat sich auch nur mit einer minimalen Menge an Getreide eindeckte, um die Städte mit Brot zu versorgen, blieb dem Land fast nichts. Sobald es zu schneien beginnen würde, müßte alles Vieh geschlachtet werden, weil es für die Tiere dann weder Grün- noch Getreidefutter gab. Eine Generation würde vergehen, bis die Herden ihre jetzige Größe wieder erreicht hätten. Beließ man dem Land jedoch ein Minimum an Getreide, mußten die Städte Hunger leiden.
    Rudin brach schließlich die Diskussion ab.
    »Nehmen wir einmal an, wir entschlössen uns, den Getreidemangel, dem einige Monate später die Fleischverknappung folgen müßte, auf uns zu nehmen«, sagte er. »Wie würde sich das auf die Disziplin der Bevölkerung auswirken?«
    Petrow brach das darauffolgende Schweigen. Über die Millionen Drähte des Parteiapparats waren Informationen zu ihm gedrungen, nach denen in der Bevölkerung bereits eine gewisse Unruhe herrschte. Er gab zu, daß in der letzten Zeit vereinzelte Tumulte stattgefunden und die Parteiaustritte sich gemehrt hatten. Angesichts einer regelrechten Hungersnot würden viele Parteikader sich wahrscheinlich mit dem Proletariat solidarisieren.
    Die Nichtrussen nickten zustimmend. In ihren Republiken war der Zugriff durch die Zentrale nie so fest gewesen wie in der Russischen SSR.
    »Wir könnten die sechs osteuropäischen Randrepubliken ausnehmen«, schlug Petrjanow vor, ohne sich die Mühe zu machen, die Osteuropäer als Genossen und Brüder zu bezeichnen.
    »Polen und Rumänien würden sofort in Flammen aufgehen«, wandte Schuschkin ein. »Ungarn würde wahrscheinlich folgen.«
    »Die Rote Armee würde schon mit ihnen fertig!« knurrte Marschall Kerenski.
    »Nicht mit dreien gleichzeitig, nicht mehr heutzutage«, widersprach Rudin.
    »Außerdem würden wir bestenfalls zehn Millionen Tonnen sparen«, stellte Komarow fest. »Das reicht

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