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Des Teufels Alternative

Des Teufels Alternative

Titel: Des Teufels Alternative Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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nicht!«
    »Genosse Stepanow?« fragte Rudin.
    Der Chef der staatlich kontrollierten Gewerkschaft wählte seine Worte vorsichtig.
    »Sollte es diesen Winter zu einer wirklichen Hungersnot kommen, die sich über das Frühjahr bis in den Sommer hinein erstreckt«, sagte er, während er seinen Bleistift betrachtete, »wäre der Ausbruch von Unruhen, möglicherweise in großem Maßstab, nicht mit Sicherheit auszuschließen.«
    Iwanenko, der schweigend dasaß, die westliche Filterzigarette zwischen Daumen und Zeigefinger seiner rechten Hand, roch mehr als nur Tabakrauch. Er hatte schon oft Angst gewittert: bei Verhaftungen, in Vernehmungslokalen und in den Korridoren seines Hauptquartiers. Er witterte sie auch jetzt. Er und die Männer um ihn herum waren mächtig, privilegiert und geschützt. Aber er wußte über sie alle Bescheid; er hatte ihre Akten. Und er, der keine Angst um sich selbst hatte, weil die Seelenlosen keine Angst empfinden, wußte auch, daß sie alle etwas stärker fürchteten als den Krieg: daß das sowjetische Proletariat, das die Entbehrungen geduldig, ruhig und stumpf ertrug, in Wut geraten könnte …
    Alle Augen ruhten auf ihm. Öffentliche »Fälle von Ungehorsam« und deren Niederschlagung fielen in seinen Zuständigkeitsbereich.
    »Ich könnte mit einem Nowotscherkassk fertig werden«, sagte er ruhig. Einige Mitglieder holten erschrocken tief Luft. »Selbst zehn oder zwanzig wären zu bewältigen. Aber auch unter Aufbietung aller Kräfte wäre das KGB nicht fünfzig gewachsen.«
    Die Erwähnung von Nowotscherkassk klang wie eine düstere Prophezeiung – was Iwanenko beabsichtigt hatte. Am 2.   Juni 1962, vor fast genau 20   Jahren, war es in der großen Industriestadt Nowotscherkassk zu einem spontanen Arbeiteraufstand gekommen. Zwei Jahrzehnte hatten nicht genügt, um die Erinnerung daran verblassen zu lassen.
    Alles hatte damit angefangen, daß zufällig zur gleichen Zeit ein Ministerium die Preise für Fleisch und Butter heraufsetzte, während ein anderes die Löhne in den riesigen NEWS-Lokomotivwerken um 30 Prozent kürzte. Das führte zu Unruhen, in deren Verlauf die wütenden Arbeiter für drei Tage die Macht in der Stadt an sich rissen – ein in der Sowjetunion unerhörtes Ereignis. Ebenso unerhört war, daß sie die örtliche Parteispitze durch Mißfallenskundgebungen dazu brachten, sich vor Angst zitternd in ihrer Zentrale einzuigeln, daß sie einen sowjetischen Generaloberst niederschrien, bewaffnete Einheiten angriffen und Panzer so lange mit Schlamm bewarfen, bis die Sehschlitze verstopft und die Fahrzeuge zum Halten gezwungen waren.
    Die Reaktion Moskaus war furchtbar. Alle Eisenbahnstrecken, alle Straßen und Wege, alle Telefonleitungen von und nach Nowotscherkassk wurden gesperrt. Die Stadt wurde völlig abgeschnitten, um zu vermeiden, daß Nachrichten nach draußen gelangten. Zwei Divisionen der KGB-Spezialtruppen waren nötig, um die Unruhen zu beenden und die Aufständischen niederzumachen. Auf den Straßen wurden 86 Zivilisten erschossen und über 300 verwundet. Keiner von ihnen kehrte je wieder heim, keiner wurde in der Stadt begraben. Nicht nur die Verletzten, sondern auch sämtliche Angehörigen der Toten oder verwundeten Männer, Frauen und Kinder wurden in Arbeitslager deportiert. Nie sollten sie nach ihren Verwandten fragen und so die Erinnerung an den Aufstand wachhalten können. Alle Spuren waren ausgelöscht worden, aber selbst nach zwei Jahrzehnten erinnerten die Mächtigen im Kreml sich noch immer gut daran.
    Nachdem Iwanenko seine Bombe hatte platzen lassen, war wieder Schweigen eingetreten. Rudin brach es schließlich.
    »Nun gut. Die Schlußfolgerung scheint festzustehen: Wir müssen mehr Getreide im Ausland kaufen als je zuvor. Genosse Komarow, wieviel müssen wir mindestens kaufen, um eine Katastrophe zu vermeiden?«
    »Genosse Generalsekretär, wenn wir der Landbevölkerung das Allernötigste belassen und die staatliche Getreidereserve von dreißig Millionen Tonnen restlos aufbrauchen, müssen wir fünfundfünfzig Millionen Tonnen einführen. Das entspricht dem gesamten amerikanischen und kanadischen Überschuß in einem guten Erntejahr«, antwortete Komarow.
    »Soviel verkaufen die uns nie!« rief Kerenski dazwischen.
    »Die Amerikaner sind keine Dummköpfe, Genosse Marschall«, warf Iwanenko ruhig ein. »Durch ihre Condor-Satelliten müssen sie bereits gemerkt haben, daß mit unserem Sommergetreide irgend etwas nicht in Ordnung ist. Aber sie kennen weder

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