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Des Teufels Alternative

Des Teufels Alternative

Titel: Des Teufels Alternative Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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geheimnisvolle Aufforderung?
    Munro zog sich rasch an, obwohl er noch unschlüssig war, ob er die Einladung annehmen sollte.
    Als er in die Schuhe schlüpfte, stand sein Entschluß fest. Sollte sich das Ganze als eine Falle erweisen, dann hatte er nie eine Nachricht bekommen, sondern nur einen Waldspaziergang gemacht. Zur Enttäuschung seiner hoffnungsvollen Sekretärin brach er allein auf. Nach 100Metern blieb er stehen, holte sein Feuerzeug hervor und verbrannte die Karte, deren Asche er mit dem Fuß in den mit Kiefernnadeln bedeckten Waldboden trat.
    Mit Hilfe der Sonne und seiner Uhr ermittelte Munro die Richtung, die er einzuschlagen hatte. Sein Weg führte rechtwinklig vom Badestrand fort. Nach zehn Minuten kam er an einen Abhang, von dem aus er in reichlich einem Kilometer Entfernung die Zwiebelkuppel einer Kapelle sah.
    In den Wäldern um Moskau gibt es Dutzende solcher kleinen Kapellen, einst von Landbewohnern errichtet und jetzt zum größten Teil verfallen, mit Brettern vernagelt und verlassen. Die kleine Kirche, der Munro sich näherte, stand auf einer Lichtung. Er machte unter den letzten Bäumen halt und beobachtete die Kapelle. Niemand war zu sehen. Vorsichtig wagte er sich ins Freie. Als er nur noch wenige Meter von der verschlossenen Kirchentür entfernt war, sah er im Schatten des Torbogens die Gestalt. Er blieb wie angewurzelt stehen, und beide starrten sich minutenlang an.
    Es gab eigentlich nichts zu sagen, deshalb flüsterte er nur ihren Namen: »Walentina.« Sie trat aus dem Schatten und erwiderte: »Adam.«
    Einundzwanzig Jahre, dachte er verwundert, sie muß inzwischen vierzig sein. Aber sie sah aus wie dreißig: noch immer schwarzhaarig, schön und seltsam traurig.
    Sie setzten sich auf einen verfallenen Grabstein und sprachen von alten Zeiten. Walentina erzählte Munro, sie sei wenige Monate nach ihrer Trennung von Ostberlin nach Moskau zurückgekehrt und habe weiterhin als Protokollführerin bei der Partei gearbeitet. Mit 23   Jahren hatte sie einen jungen Armeeoffizier mit guten Beförderungschancen geheiratet. Nach sieben Jahren hatten sie ein Kind bekommen und waren zu dritt glücklich gewesen. Ihr Mann hatte Karriere gemacht, weil ein Onkel von ihm ein hoher Offizier in der Roten Armee war – was auch in der Sowjetunion keineswegs schadet. Der Junge war jetzt zehn.
    Vor fünf Jahren war ihr Mann, damals bereits Oberst, beim Auskundschaften rotchinesischer Truppenansammlungen am Ussuri mit dem Hubschrauber tödlich verunglückt. Um ihren Schmerz zu betäuben, hatte Walentina wieder zu arbeiten begonnen. Der Onkel ihres Mannes hatte seinen Einfluß geltend gemacht und ihr eine gutbezahlte Vertrauensstellung verschafft, die mit wertvollen Privilegien verbunden war: Einkaufsmöglichkeiten in besseren Lebensmittelläden, gute Restaurants, eine größere Wohnung, ein eigenes Auto – alles Annehmlichkeiten, die mit dem Aufstieg innerhalb des Parteiapparats verbunden sind.
    Vor zwei Jahren schließlich hatte man ihr nach einer besonderen Überprüfung eine Position innerhalb der kleinen geschlossenen Gruppe von Protokollführern und Schreibkräften im Politbürosekretariat angeboten, einer Unterabteilung vom Generalsekretariat des Zentralkomitees.
    Munro holte tief Luft. Sie hatte es weit gebracht und bekleidete eine ausgesprochene Vertrauensstellung.
    »Wer ist der Onkel deines verstorbenen Mannes?« erkundigte er sich.
    »Kerenski«, murmelte sie.
    »Marschall Kerenski?« fragte er. Sie nickte. Munro atmete langsam aus. Kerenski, der Superfalke. Als er wieder Walentina ansah, standen Tränen in ihren Augen. Sie blinzelte heftig und schien dem Weinen nahe zu sein. Impulsiv legte er ihr einen Arm um die Schultern, und sie lehnte sich an ihn. Er roch ihr Haar, roch den gleichen süßen Duft, der ihn vor zwei Jahrzehnten gerührt und erregt hatte.
    »Was hast du?« fragte er sanft.
    »O Adam, ich bin so unglücklich!«
    »Um Himmels willen, warum denn? Du hast doch alles!«
    Walentina schüttelte langsam den Kopf und setzte sich auf. Sie vermied seinen Blick und starrte statt dessen quer über die Lichtung in den Wald.
    »Adam, ich habe mein Leben lang, von Kindheit an, geglaubt. Ich bin wirklich gläubig gewesen! Noch während wir zusammen in Berlin waren, habe ich noch an das Gute, an die Richtigkeit des Sozialismus geglaubt. Selbst in schweren Zeiten, in Zeiten der Entbehrung, in denen der Westen in Konsumgütern schwamm, während wir nichts hatten, habe ich an die kommunistische

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