Des Teufels Alternative
an etwas zu hindern, das sie zu tun im Begriff sind. Wahrscheinlich habe ich im Unterbewußtsein schon seit Jahren mit diesem Gedanken gespielt, aber seitdem ich dich im Bolschoitheater gesehen und mich an alle unsere Freiheiten in Berlin erinnert habe, muß ich ständig daran denken. Jetzt steht mein Entschluß fest. Vielleicht kannst du mir eine Frage beantworten: Gibt es in eurer Botschaft einen Geheimdienstoffizier?«
Munro verschlug es den Atem. Er hatte früher zwei heimliche Überläufer geführt – einen aus der Sowjetischen Botschaft in Mexico City, den anderen in Wien. Der Russe in Mexiko hatte sein Land verraten, weil – wie bei Walentina – seine Achtung vor den Kremlherrschern in Haß umgeschlagen war; der andere war aus Verbitterung über seine angeblich zu langsame Beförderung übergelaufen. Der erste Mann war schwieriger zu führen gewesen.
»Ja, wahrscheinlich«, antwortete er langsam. »Es muß wohl einen geben, nehme ich an.«
Walentina wühlte in ihrer Umhängetasche, die in den Kiefernadeln zu ihren Füßen stand. Sie hatte ihre Entscheidung getroffen und schien nun fest entschlossen zu sein, ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen. Sie holte einen dicken Umschlag heraus.
»Ich möchte, daß du ihm das hier gibst, Adam. Versprich mir, ihm nie zu erzählen, von wem das kommt. Bitte, Adam! Ich habe Angst vor dem, was ich tue. Ich kann keinem Menschen trauen – keinem außer dir.«
»Ich verspreche es«, sagte Munro. »Aber wir müssen uns wiedersehen. Ich kann es nicht ertragen, dich noch einmal durch die Lücke in der Mauer verschwinden zu sehen.«
»Nein, das kann ich auch nicht. Aber versuch nicht, mich zu Hause zu erreichen. Ich wohne in einer abgeschlossenen Siedlung für hohe Funktionäre. Es gibt nur einen Eingang, und der wird bewacht. Und du darfst auch nicht versuchen, mich anzurufen. Die Gespräche werden abgehört. Und ich bin nicht bereit, mit anderen Angehörigen eurer Botschaft zusammenzutreffen – nicht einmal mit dem Geheimdienstchef.«
»Einverstanden«, sagte Munro. »Aber wann können wir uns wiedersehen?«
Sie überlegte kurz. »Ich kann nicht immer fort. Sascha beansprucht den größten Teil meiner Freizeit. Aber ich habe ein eigenes Auto und werde nicht beschattet. Morgen muß ich für zwei Wochen verreisen, aber wir können uns in vier Wochen hier treffen, wieder am Sonntag.« Walentina sah auf ihre Uhr. »Ich muß gehen, Adam. Ich bin übers Wochenende bei Freunden zu Gast, die hier in der Nähe eine Datscha haben.«
Er küßte sie auf den Mund, wie früher. Und ihr Kuß war so süß, wie er es immer gewesen war. Sie stand auf und wollte quer über die Lichtung davongehen.
»Walentina, was ist das hier?« fragte er und hielt den Umschlag hoch.
»Ich stelle die Wortprotokolle der Politbürositzungen zusammen – für jedes Mitglied eines«, antwortete sie. »Und die Zusammenfassungen für die Kandidaten des Politbüros. Dazu stehen mir Tonbandaufzeichnungen zur Verfügung. Das da ist eine Tonbandkopie der Sitzung vom zehnten Juni.«
Dann verschwand sie unter den Bäumen. Munro setzte sich auf den Grabstein und starrte den Umschlag in seiner Hand an.
»Verdammt noch mal!« sagte er.
Kapitel 4
Adam Munro saß in einem verschlossenen Raum der Britischen Botschaft am Maurice-Thorez-Kai und hörte sich die letzten Sätze des Tonbandes an, die aus dem Lautsprecher vor ihm drangen. Munro hatte den Botschaftskanzler gebeten, den Raum, der gegen die elektronischen Abhörgeräte der Russen gesichert war, für ein paar Stunden benützen zu dürfen.
»… diese Nachricht auf keinen Fall nach außen dringen darf, versteht sich von selbst. Wir kommen heute in einer Woche wieder zusammen.«
Maxim Rudins Stimme verstummte. Das Band lief lautlos weiter und stoppte dann von selbst. Munro schaltete das Gerät aus. Er lehnte sich zurück und stieß einen gedehnten leisen Pfiff aus.
Falls diese Aufnahme echt war, übertraf sie alles, was Oleg Penkowski vor zwanzig Jahren geliefert hatte. Mit dem Namen Penkowski verbanden sich bei SIS und CIA liebevoll ausgeschmückte Erinnerungen, die für das KGB um so bitterer waren. Penkowski war ein GRU-Oberst mit Zugang zu geheimsten Informationen gewesen, der sich, enttäuscht von der Kremlhierarchie, erst an die Amerikaner und danach an die Engländer gewandt hatte, um ihnen Material anzubieten.
Die Amerikaner hatten abgelehnt, weil sie eine Falle fürchteten. Die Briten waren darauf eingegangen und hatten Penkowski zweieinhalb Jahre
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