Des Teufels Alternative
Nigel.
Ferndale begann wieder, seine Brille zu putzen. In Kollegenkreisen hieß es, das Tempo seiner kreisenden Bewegungen mit dem Taschentuch auf den Gläsern sei direkt proportional zu seiner Denkgeschwindigkeit. Ferndale putzte mit einer geradezu wütenden Energie.
»Ich denke zuerst an Munro«, antwortete er. »Für den Fall, daß das Ganze eine Falle ist, die beim zweiten Treffen zuschnappen soll, möchte ich ihn auf Urlaub hierbehalten, bis wir mit dem Tonband fertig sind. Wer weiß, vielleicht versucht die Opposition, einen internationalen Zwischenfall zu provozieren.«
»Hat er noch Urlaub gut?« fragte Sir Nigel.
»Ja, zum Glück. Er ist Ende Mai so überstürzt nach Moskau versetzt worden, daß er noch Anspruch auf vierzehn Tage hat.«
»Dann soll er ihn jetzt nehmen. Aber ich möchte, daß er sich
regelmäßig meldet. Und er soll in Großbritannien bleiben, Barry. Ich will nicht, daß er ins Ausland fährt, bevor diese Sache geklärt ist.«
»Als nächstes kommt das Tonband«, fuhr Ferndale fort. »Die Aufnahme zerfällt in zwei Abschnitte: Jakowlews Bericht und die Stimmen der Politbüromitglieder. Soviel ich weiß, haben wir keine zweite Aufnahme von Jakowlew. Folglich ist auch kein Stimmvergleich möglich. Was er sagt, klingt ziemlich technisch. Ich möchte das von Fachleuten prüfen lassen, die auf Pflanzenschutzmittel spezialisiert sind. Im Landwirtschaftsministerium gibt es eine sehr tüchtige Abteilung, die sich mit so etwas beschäftigt. Niemand braucht zu erfahren, weshalb uns das interessiert, aber ich möchte bestätigt haben, daß dieser Betriebsunfall mit dem Dosierventil möglich ist.«
»Erinnern Sie sich an die Akte, die uns die Cousins vor einem Monat geliehen haben?« fragte der Generaldirektor. »Die mit den Condor-Satellitenfotos?«
»Natürlich.«
»Vergleichen Sie die Erkenntnisse aus der Satellitenaufklärung mit den Aussagen Jakowlews. Wie geht’s weiter?«
»Der zweite Teil enthält die Stimmen der Politbüromitglieder«, antwortete Ferndale. »Ich möchte ihn in Bruchstücke zerlegen, weil niemand zu wissen braucht, wovon die Rede ist. Das Sprachlabor in Beaconsfield könnte die Texte auf Wortwahl, Satzbau, umgangssprachliche Wendungen, Dialektausdrücke und dergleichen hin untersuchen. Aber das Entscheidende ist der Vergleich der Stimmanalysen.«
Sir Nigel nickte. Beide Männer wußten, daß menschliche Stimmen, zerlegt in eine Reihe elektronisch aufgezeichneter Schwingungen und Impulse, so individuell wie Fingerabdrücke sind. Es gibt nicht zwei völlig gleiche.
»Einverstanden«, sagte er. »Aber ich bestehe auf zwei Punkten, Barry. Im Augenblick wissen nur Sie, ich und Munro von dieser Sache. Für den Fall, daß es sich um ein Täuschungsmanöver handelt, wollen wir keine falschen Hoffnungen wecken; ist es keines, haben wir’s mit einer Bombe zu tun. Keiner der Techniker darf die ganze Aufnahme hören. Und zweitens will ich den Namen Anatoli Kriwoi nicht wieder hören. Bestimmen Sie einen Decknamen für diesen Informanten, und verwenden Sie ihn in Zukunft.«
Zwei Stunden später, während der Mittagszeit, rief Barry Ferndale Munro in seinem Club an. Da ihr Gespräch mitgehört werden konnte, benützten sie die üblichen Redewendungen aus dem Geschäftsleben.
»Der Vertriebsleiter ist mit Ihrem Verkaufsbericht sehr zufrieden«, teilte Ferndale Munro mit. »Er legt großen Wert darauf, daß Sie zwei Wochen Urlaub nehmen. Wir werden die Unterlagen inzwischen prüfen und die zukünftige Verkaufsstrategie festlegen. Haben Sie sich schon überlegt, wo Sie gern Ferien machen würden?«
Munro hatte keine bestimmte Vorstellung, aber er entschied sich rasch. Dies war keine Bitte, dies war ein Befehl.
»Ich möchte mal wieder für einige Zeit nach Schottland«, antwortete er. »Ich wollte schon immer mal im Sommer von Lochaber die Küste entlang nach Sutherland wandern.«
Ferndale war begeistert. »Das Hochland, die Schluchten von ›Bonnie Scotland‹. Um diese Jahreszeit besonders hübsch. Für mich sind lange Wanderungen noch nie was gewesen, aber Sie haben bestimmt Spaß daran. Rufen Sie von unterwegs mal an – sagen wir jeden zweiten Tag. Sie haben doch meine private Telefonnummer?«
Eine Woche später traf Miroslaw Kaminski mit seinen vom Roten Kreuz ausgestellten Reisedokumenten in England ein. Er war mit dem Zug quer durch Europa gefahren; Drake, dessen finanzielle Reserven allmählich erschöpft waren, hatte die Fahrkarte bezahlt.
Kaminski wurde mit Krim
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