Des Teufels Alternative
informiert?« fragte sie ohne Umschweife.
»Noch nicht, Ma’am«, antwortete Sir Nigel. »Wir wissen erst seit drei Tagen zuverlässig, daß die Aufnahme echt ist.«
»Ich möchte, daß Sie das persönlich übernehmen«, sagte die Premierministerin. Sir Nigel verbeugte sich leicht. »Die politischen Folgen dieses bevorstehenden katastrophalen Getreidemangels in der Sowjetunion sind noch gar nicht abzusehen, und die Vereinigten Staaten sollten als der größte Weizenproduzent der Welt von Anfang an auf dem laufenden gehalten werden.«
»Ich möchte verhindern, daß die Cousins unserem Agenten in irgendeiner Weise ins Handwerk pfuschen«, betonte Sir Nigel. »Der Mann muß wahrscheinlich äußerst behutsam geführt werden. Ich bin dafür, daß wir den Fall ohne Hilfe von außen bearbeiten.«
»Würden die Amerikaner denn versuchen, sich einzumischen?« fragte die Premierministerin.
»Unter Umständen ja, Ma’am. Wir haben Penkowski gemeinsam geführt, obwohl wir es waren, die ihn angeworben hatten. Aber das hatte seine guten Gründe. Diesmal plädiere ich dafür, allein zu arbeiten.«
Die Premierministerin brauchte nicht lange, um den politischen Wert eines Agenten zu erkennen, der Zugang zu den Sitzungsprotokollen des Politbüros hatte.
»Falls Druck ausgeübt werden sollte«, sagte sie, »verständigen Sie mich bitte. Ich werde dann persönlich mit Präsident Matthews darüber sprechen. Einstweilen bitte ich Sie, morgen nach Washington zu fliegen, um das Tonband oder zumindest eine Kopie davon zu überbringen. Ich werde heute abend ohnehin noch mit Präsident Matthews telefonieren.«
Sir Nigel und Sir Julian standen auf, um zu gehen.
»Noch etwas«, sagte die Premierministerin. »Ich verstehe natürlich, daß Sie auch vor mir die Identität des Agenten geheimhalten müssen. Werden Sie Robert Benson mitteilen, wer er ist?«
»Ganz sicher nicht, Ma’am.« Der SIS-Generaldirektor hätte sich nicht nur standhaft geweigert, seiner Premierministerin oder dem Außenminister den Namen des Russen zu verraten, er würde ihnen nicht einmal von Munro erzählen, der diesen Agenten angeworben hatte. Die Amerikaner wußten wahrscheinlich, wer Munro war, nicht aber, wen er führte. Und die Cousins würden Munro auch nicht in Moskau beschatten – dafür wollte er persönlich sorgen!
»Dann trägt dieser russische Überläufer wahrscheinlich einen Decknamen«, sagte die Premierministerin. »Darf ich ihn erfahren?«
»Selbstverständlich, Ma’am. Der Informant wird in allen unseren Akten nur als ›Nachtigall‹ bezeichnet.«
Der Zufall hatte es gewollt, daß die Nachtigall der erste Singvogel mit dem Anfangsbuchstaben N in der Decknamenliste für sowjetische Agenten war, aber das konnte die Premierministerin nicht wissen. Sie lächelte zum erstenmal.
»Wie ungemein passend!«
Kapitel 5
Am 1. August, einem regnerischen Tag, startete kurz nach 10 Uhr eine altgediente, aber bequeme vierstrahlige VC-10 des Royal Air Force Strike Command auf dem Fliegerhorst Lyneham in Wiltshire und nahm Kurs auf Irland und den Atlantik. Sie hatte wahrhaftig nicht viele Passagiere an Bord: einen Air Chief Marshal, der erst am Vorabend erfahren hatte, daß ausgerechnet dieser Tag der beste Termin für sein Gespräch im Pentagon in Washington sei, um die bevorstehenden gemeinsamen Manöver der Jabo-Geschwader von USAF und RAF zu koordinieren, und einen Zivilisten in einem schäbigen Trenchcoat.
Der hohe Offizier hatte sich dem Zivilisten, mit dessen Anwesenheit er nicht gerechnet hatte, vorgestellt und erfahren, daß sein Mitreisender ein Mr. Barrett aus dem Außenministerium war, der in der Britischen Botschaft in der Massachusetts Avenue zu tun hatte. Mr. Barrett war angewiesen worden, diesen VC-10-Flug wahrzunehmen, um den Steuerzahlern die Kosten für ein Rückflugticket zu ersparen. Der Luftwaffenoffizier erfuhr nie, daß die RAF-Maschine allein wegen dieses Mannes unterwegs war.
Auf einem anderen Kurs südlich der VC-10 flog ein Jumbo-Jet der British Airways von London nach New York. Zu den über 300Passagieren gehörte Asamat Krim, alias Arthur Crimmins, kanadischer Staatsbürger. Mit einer Hüfttasche voll Geld flog er nach Westen, um dort einzukaufen.
Acht Stunden später setzte 15 Kilometer südöstlich von Washington die VC-10 sicher auf der Landebahn der Andrews Air Force Base in Maryland auf. Während das Heulen der Triebwerke auf dem Vorfeld verklang, rollte ein Dienstwagen des Pentagons an die Gangway.
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