Des Teufels Kardinal
ließ ihn jetzt nicht mehr aus den Augen. In seinem Blick las Harry Wut, Frustration, Hilflosigkeit und das Gefühl, persönlich 435
versagt zu haben. Roscani kämpfte gegen sich selbst und seine Dienststelle an.
Harry sah nach vorn, um Scala und Castelletti als dunkle Silhouet-ten vor der in der römischen Mittagssonne liegenden Straße zu beobachten. Bei ihnen nahm er ähnliche Empfindungen wahr. Sie waren mit ihrem Latein am Ende. Von Politikern gemachte Gesetze hatten sich stärker als die Gerechtigkeit erwiesen. Sie konnten nur noch tun, was ihre Befugnisse zuließen, und das bedeutete, daß sie versuchten, Danny und ihn vor Gericht zu bringen. Und Elena ebenfalls.
In diesem Augenblick wußte Harry, daß wieder alle Verantwortung auf ihm lastete. Er mußte Roscani irgendwie umstimmen, sonst waren sie alle verloren. Er und Danny und Elena und Marsciano.
Harry konzentrierte sich wieder auf Roscani.
»Pio und der Kardinalvikar, die Morde in Bellagio und anderswo –
alle diese Verbrechen sind auf italienischem Boden verübt worden.«
Roscani nickte wortlos.
»Nehmen wir mal an, Sie hätten Kardinal Marsciano. Und er wäre bereit, mit Ihnen und dem Staatsanwalt über diese Verbrechen zu reden. Nehmen wir mal an, er wäre bereit, Namen und Motive zu nennen. Würde das für Auslieferungsanträge genügen?«
»Die wären trotzdem noch sehr schwierig.«
»Aber sie könnten Erfolg haben.«
»Ja. Nur haben wir ihn leider nicht, Mr. Addison. Und wir kommen nicht an ihn heran.«
»Was wäre, wenn ich ihn rausholen könnte?«
»Sie?«
»Ja.«
»Wie?«
Scala drehte sich auf dem Beifahrersitz nach ihm um, Castelletti fixierte ihn im Rückspiegel.
»Morgen vormittag um elf Uhr fährt eine Rangierlok in den Vatikan, um einen alten Güterwagen abzuholen. Das hat Pater Bardoni arrangiert, um zu versuchen, Marsciano herauszuholen. Vielleicht finde ich eine Möglichkeit, seinen Plan zu verwirklichen. Dazu wür-de ich Ihre Hilfe brauchen, allerdings nur außerhalb des Vatikans.«
»Hilfe in welcher Form?«
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»Schutz für meinen Bruder, Schwester Elena und mich durch Sie und Ihre beiden Kollegen. Sonst darf niemand davon erfahren. Ich will nicht, daß Farel Wind davon bekommt. Sie geben mir Ihr Wort, daß niemand verhaftet wird, bis wir fertig sind. Dann bringe ich Sie zu den anderen.«
»Sie verlangen, daß ich mich strafbar mache, Mr. Addison.«
»Sie wollen die Wahrheit, Ispettore capo. Ich auch.«
Roscani wechselte einen Blick mit Scala, dann sah er wieder Harry an. »Bitte weiter, Mr. Addison.«
»Kommt die Rangierlok morgen mit dem Güterwagen aus dem Vatikan, fahren Sie ihr nach, bis sie hält. Klappt alles, sitze ich mit Kardinal Marsciano in dem Waggon. Sie bringen uns in die Wohnung, in der Danny und Schwester Elena sind. Dort lassen Sie Danny und den Kardinal ungestört reden, bis Marsciano bereit ist, seine Aussage zu machen. Dann kommen Sie mit Ihrem Staatsanwalt.«
»Was ist, wenn er beschließt, keine Aussage zu machen?«
»Dann ist unsere Übereinkunft hinfällig, und Sie tun, was Sie tun müssen.«
Roscani saß sekundenlang mit versteinerter Miene da, so daß Harry nicht wußte, ob er auf seinen Vorschlag eingehen würde. Dann sprach er endlich:
»Mein Part ist einfach, Mr. Addison. Aber Ihrer macht mir große Sorgen. Es geht nicht nur darum, einen Mann in einen Güterwagen zu schaffen. Sie müssen ihn erst aus seiner Unterkunft herausholen und bekommen es dabei mit Farel und dessen Leuten zu tun. Und irgendwo im Hintergrund lauert immer Thomas Kind.«
»Mein Bruder ist bei der Marineinfanterie gewesen«, antwortete Harry zuversichtlich. »Er sagt mir, was ich zu tun habe.«
Roscani wußte, daß es ein verrücktes Vorhaben war. Und er wußte, daß Scala und Castelletti nicht anders darüber dachten. Aber wenn sie Harry nicht selbst begleiteten, was sie nicht durften, weil sie einen diplomatischen Zwischenfall provoziert hätten, wenn sie dabei geschnappt worden wären, konnten sie nur beiseite treten und ihm viel Erfolg wünschen. Es war ein höchst riskantes Spiel. Aber letzten Endes blieb ihnen nichts anderes übrig, als Harry gewähren zu lassen.
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»Einverstanden, Mr. Addison«, sagte er ruhig.
Harry versuchte, sich seine Erleichterung nicht anmerken zu lassen.
»Ich brauche drei Dinge«, fuhr er fort. »Erstens eine Pistole.«
»Können Sie damit umgehen?«
»Beverly Hills Gun Club. Ein halbes Jahr Ausbildung in Selbstver-teidigung. Einer meiner Mandanten hat mich dazu
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