Des Teufels Kardinal
der Kriminalbeamte seine Aussagen abwog und sich fragte, ob er ihm glauben sollte. Er spürte, daß er Roscani noch mehr berichten mußte, um ihn ganz zu überzeugen und auf ihre Seite zu ziehen.
»Ein Pater, ein Mitarbeiter Kardinal Marscianos, hat uns in unserem Versteck in Lugano aufgesucht«, berichtete Harry, ohne Roscani aus den Augen zu lassen, »und meinen Bruder gebeten, nach Rom zurückzukehren. Das hat er getan, weil Kardinal Palestrina gedroht hatte, andernfalls Marsciano umzubringen. Er hat uns einen Mercedes besorgt, Kennzeichen aus dem Vatikan mitgebracht und hier in 433
Rom eine Unterkunft für uns gefunden. Heute morgen bin ich in seiner Wohnung gewesen. Er war tot. Jemand hatte ihm die linke Hand abgetrennt. Ich habe es mit der Angst zu tun bekommen und bin weggelaufen. Aber ich kann Ihnen die Adresse geben, damit Sie selbst…«
»Ich weiß, was Pater Bardoni zugestoßen ist«, wehrte Roscani ab.
»Aber was wissen Sie außerdem?« fragte Harry nachdrücklich.
»Daß Pater Bardoni meinen Bruder im allgemeinen Durcheinander nach dem Busattentat im Krankenhaus aufgespürt hat? Daß er Danny heimlich mit seinem eigenen Wagen weggebracht hat? Daß er ihn zu einem befreundeten Arzt außerhalb von Rom gebracht hat wo er bleiben konnte, bis die Vorbereitungen für seine Verlegung nach Pescara, für seine Pflege und Bewachung getroffen waren? Wissen Sie das alles, Ispettore capo?« Harry starrte Roscani an bis er sicher war, daß seine Worte gewirkt hatten, bevor er etwas leiser hinzufüg-te: »Was ich sonst gesagt habe, ist ebenso wahr.«
Castelletti wendete jetzt und folgte der Viale dell’Oceano Pacifico zurück in Richtung Tiber.
»Mr. Addison, wissen Sie auch, wer Pater Bardoni ermordet hat?«
fragte Roscani.
»Ich kann es mir denken. Der Blonde, der versucht hat, uns in der Grotte bei Bellagio umzubringen.«
»Wissen Sie, wer er ist?«
»Nein.«
»Sagt Ihnen der Name Thomas Kind etwas?«
»Thomas Kind?« Für Harry war dieser Name wie ein Stich ins Herz.
»Sie wissen also, wer er ist?«
»Ja, natürlich«, murmelte Harry. Roscani hätte ebensogut fragen können, ob er Charles Manson kenne. Thomas Kind war nicht nur einer der bekanntesten, brutalsten und gerissensten Terroristen der Welt, sondern für manche Leute in Hollywood auch einer der roman-tischsten. Allein dieses Jahr waren vier große Film- und Fernsehpro-jekte, die sich mit Thomas Kind befaßten, angekündigt worden. Das wußte Harry aus erster Hand, weil er zweimal an den Verhandlungen 434
beteiligt gewesen war – einmal im Auftrag eines Stars, einmal als Vertreter eines Regisseurs.
»Selbst wenn Ihr Bruder nicht im Rollstuhl säße, wäre er in höchster Gefahr. Kind versteht es, Leute aufzuspüren, die er finden will.
Das hat er in Pescara und Bellagio und jetzt hier in Rom bewiesen.
Sie sollten uns lieber sagen, wo Ihr Bruder ist.«
Harry zögerte. »Verhaften Sie Danny, ist er noch gefährdeter«, sagte er dann. »Sobald Farel weiß, wo er ist, bringen sie Marsciano um und schicken jemanden los, um Danny erledigen zu lassen. Vielleicht Kind, vielleicht irgendeinen anderen Killer.«
Roscani beugte sich nach vorn, um Harry eindringlich in die Augen zu sehen. »Wir werden unser Bestes tun, damit dieser Fall nicht ein-tritt.«
»Was soll das heißen?« Harry hörte plötzlich Alarmglocken schrillen. Seine Handflächen waren feucht, und er hatte winzige Schweiß-
perlen auf der Oberlippe.
»Das heißt, Mr. Addison, daß es keinerlei Beweise dafür gibt, daß Ihre Behauptungen wahr sind. Andererseits gibt es reichlich Belastungsmaterial, um Ihren Bruder und Sie wegen Mordes anzukla-gen.«
Harry fühlte sein Herz jagen. Roscani wollte ihn auf der Stelle verhaften! »Wollen Sie wirklich untätig zusehen, wie der wichtigste Zeuge ermordet wird?«
»Ich kann nichts dagegen tun, Mr. Addison. Ich habe kein Recht, meine Leute in den Vatikan zu schicken. Und selbst wenn ich es täte, dürften sie dort niemanden verhaften.« Wie Roscani das sagte, bewies Harry, daß der Kriminalbeamte ihm glaubte. Daß er ihm zumindest glauben wollte.
»Auch ein Auslieferungsantrag«, fuhr Roscani fort, »um Marsciano, Palestrina oder Farel überstellt zu bekommen, wäre sinnlos. Es gibt keinerlei Beweise, Mr. Addison, deshalb ließe dieser Antrag sich nicht begründen. Und wer wollte so tollkühn sein, ohne handfeste Beweise den Vatikan zu beschuldigen?« Roscani zuckte mit den Schultern. »Als Anwalt müßten Sie das wissen.«
Roscani
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