Des Teufels Kardinal
wenig wirkungsvoll gewesen und auf taube Ohren gestoßen. Sein Schicksal, das wußte er, war mit dem Blick besiegelt gewesen, den der Sekretär des Auswärtigen seinem Polizeibeamten beim Hinausgehen zugeworfen hatte. Damit hatte Palestrina ihn seiner Freiheit beraubt. Von diesem Augenblick an würde Marsciano überwacht werden. Wohin er ging, wen er be-suchte und mit wem er sprach oder telefonierte. Es würde an Farel gemeldet werden, der wiederum Palestrina informieren würde. Das lief praktisch auf einen Hausarrest hinaus. Und Marsciano konnte sich nicht dagegen wehren. Er sah nochmals auf seine Armbanduhr.
20.50 Uhr
Der Kardinal betete darum, daß es keine Pannen gegeben hatte und sie inzwischen wie geplant sicher von dort weggekommen waren.
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Pescara.
Donnerstag, 9. Juli, 22.35 Uhr
Schwester Elena Voso saß auf einem Klappsitz im rückwärtigen Teil eines neutralen beigen Kastenwagens. Im schwachen Licht der Innenbeleuchtung sah sie Michael Roarks Gestalt neben sich. Er lag auf einer fahrbaren Krankentrage auf dem Rücken und starrte den über ihm hängenden Tropf an, den das Schwanken des Fahrzeugs leicht pendeln ließ. Ihr gegenüber hockte der gutaussehende Marco, während der stämmige Luca am Steuer den Wagen geschickt durch die schmalen Straßen lenkte, als kenne er ihr Fahrtziel, obwohl es bisher mit keinem Wort erwähnt worden war.
Elena war überrascht gewesen, als vor etwas über einer Stunde die Mutter Oberin ihres Franziskanerinnenklosters in Siena angerufen und ihr mitgeteilt hatte, ihr Patient werde in dieser Nacht mit einem privaten Krankenwagen verlegt und sie solle ihn begleiten, um ihn weiterhin zu pflegen. Als sie gefragt hatte, wohin er verlegt werde, hatte sie nur zur Antwort bekommen. »In ein anderes Krankenhaus.«
Wenig später war Luca mit dem Krankenwagen vorgefahren und hatte sie abgeholt. Sie hatten das St.-Cäcilien-Krankenhaus leise und schnell verlassen, ohne mehr als das Nötigste zu sprechen, eigentlich wie Flüchtlinge.
Nachdem Luca über den Pescara gefahren war, lenkte er den Wagen durch kleinere Straßen, bis sie auf die Viale della Riviera stie-
ßen, eine parallel zum Strand verlaufende Hauptverkehrsstraße. Die Nacht war schwülheiß, und Hunderte von jungen Leuten schlender-ten über die Gehsteige oder bevölkerten die Pizzerien am Strand.
Elena fragte sich, ob sie vielleicht zu einem anderen Krankenhaus in Pescara unterwegs waren. Aber dann bog Luca vom Meer ab, fuhr kreuz und quer durch die Stadt, wobei sie auch an dem großen Bahnhof vorbeikamen, und verließ Pescara dann auf der nach Nordosten führenden Fernstraße.
Auf dieser Fahrt wanderte Michael Roarks Blick mehrmals zwischen dem Tropf, Elena Voso und den Männern im Wagen hin und 122
her. Das ließ sie vermuten, er sei wieder bei Bewußtsein und versuche, sich zu erklären, was passiert war. Körperlich ging es ihm den Umständen entsprechend gut: Puls, Blutdruck und Atmung waren normal. Sie hatte das vor ihrer Ankunft aufgezeichnete EKG und sein EEG gesehen, die ihm ein gesundes Herz und ein funktionieren-des Gehirn bescheinigten. Die Diagnose lautete, er habe ein akutes Trauma erlitten. Außer auf seine Verbrennungen und Beinbrüche sollte die Krankenpflegerin vor allem auf seine schwere Gehirnerschütterung achten. Davon konnte er sich ganz, teilweise oder gar nicht erholen. Ihre Aufgabe war es, seinen Körper funktionsfähig zu erhalten, während sein Gehirn sich selbst zu heilen versuchte.
Nachdem sie Michael Roarks Blick lächelnd erwidert hatte, sah sie auf und stellte fest, daß Marco sie ebenfalls beobachtete. Von zwei Männern gleichzeitig angestarrt zu werden, war ein nicht unangenehmes Gefühl, das sie erneut lächeln ließ. Dann sah sie rasch weg, weil ihr die eigene Reaktion peinlich war. Dabei fiel ihr erstmals auf, daß die Heckscheiben des Fahrzeugs unter dunklen Vorhängen verschwanden. Sie sah wieder zu Marco hinüber.
»Warum sind die Fenster verhängt?«
»Dieser Wagen ist gemietet. Die Vorhänge gehören zur Ausstattung.«
Elena zögerte. »Wohin fahren wir?«
»Das hat mir niemand gesagt.«
»Luca weiß es.«
»Dann fragen Sie ihn.«
Elena sah kurz nach vorn, bevor sie sich wieder an Marco wandte.
»Sind wir in Gefahr?«
Marco grinste. »So viele Fragen.«
»Wir werden spätabends plötzlich angewiesen, das Krankenhaus zu verlassen. Wir fahren kreuz und quer durch Pescara, als wollten wir Verfolger abschütteln. Die Fenster des Wagens sind verhängt, und
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