Des Teufels Kardinal
Pater Addison.« Herkules lehnte sich auf seine Krücken und machte eine weit ausholende Handbewegung.
In Harrys Nähe hingen seine Sachen auf einem behelfsmäßigen Regal. Davor lag der Umschlag, den Gasparri ihm gegeben hatte, auf dem Boden, um ebenfalls zu trocknen. Um ihn herum war Dannys persönlicher Besitz ausgebreitet: seine Armbanduhr mit Brandspuren, die beschädigte Brille, der angesengte Dienstausweis und sein Reisepaß.
Wie ein Akrobat ließ Herkules sich plötzlich an seinen Krücken zu Boden gleiten, so daß er Harry wieder gegenübersaß, als ob er sich blitzschnell einen Stuhl herangezogen hätte.
»Wir haben ein Problem, Pater. Sie möchten natürlich, daß jemand von Ihrem Zustand erfährt. Am besten die Polizei. Aber Sie können nicht selbst gehen, und ich darf niemandem sagen, daß Sie hier sind, weil ich damit meine Unterkunft verraten würde. Kapiert?«
»Ja.«
»Am besten ruhen Sie sich erst mal aus. Mit etwas Glück sind Sie schon morgen wieder auf den Beinen und können gehen, wohin Sie wollen.«
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Herkules kehrte plötzlich seine vorige Bewegung um und stemmte sich wieder auf den Krücken hoch.
»Ich lasse Sie jetzt eine Zeitlang allein. Sie können unbesorgt schlafen. Hier sind Sie sicher.«
Damit schwang er sich davon und verschwand in der Dunkelheit, in der das Klicken seiner Krücken widerhallte, bis das knarrende Ge-räusch zu hören war, das schon den Weggang der Zigeunerin begleitet hatte.
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Beverly Hills.
Donnerstag, 9. Juli, spätabends
Byron Willis atmete langsam tief aus und legte sein Autotelefon auf.
Er bog vom Sunset Boulevard auf die Stone Canyon Road ab, schaltete die Scheinwerfer des Lexus ein und sah sie die mit Efeu bewachsenen Parkmauern der eleganten Landsitze beleuchten, an denen sich die Straße vorbeischlängelte. Was passiert sein sollte, war einfach undenkbar! Harry Addison, sein Harry Addison, den er in die Firma geholt hatte und wie einen Bruder liebte, war plötzlich in Italien auf der Flucht, wurde wegen Mordes an einem römischen Kriminalbeamten gesucht. Und Harrys Bruder sollte das Attentat auf den Kardinalvikar von Rom verübt haben. Die Medien belagerten bereits die Kanzlei und versuchten, ein Statement von ihm oder den anderen Partnern zu bekommen.
»Verdammter Mist!« knurrte er aufgebracht.
Unabhängig davon, was wirklich passiert war, würde Harry jede Menge Hilfe brauchen. Und die Firma auch. Byron würde diese Nacht damit verbringen, die Medien abzuwehren und sicherzustellen, daß seine Mandanten über die Ereignisse informiert waren und den Mund hielten, wenn sie von Reportern bedrängt wurden. Gleichzeitig mußte er versuchen, Harry aufzuspüren und ihm den besten Strafver-teidiger Italiens zur Seite zu stellen.
Byron Willis fuhr langsamer, als er die Übertragungswagen und die Reportermeute vor dem elektronisch gesicherten Tor seines Anwesens 1500 Stone Canyon Road sah. Er betätigte die Fernbedienung, um das Tor zu öffnen, wartete, bis die Leute ihm Platz machten, fuhr höflich winkend durch ihre Reihen und bemühte sich nach Kräften, sie zu ignorieren. Drinnen hielt er kurz an, um sich davon zu überzeugen, daß niemand im letzten Augenblick hereinschlüpfte, bevor das Tor sich wieder schloß. Dann fuhr er weiter. Seine Scheinwerfer zerschnitten die Dunkelheit und beleuchteten die vertraute Zufahrt zu seiner Villa hinauf.
»Verdammt!«
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Die Welt seines Freundes war schlagartig auf den Kopf gestellt worden. Das führte ihm seine eigene Lebenssituation nur um so deutlicher vor Augen. Wieder eine Besprechung bis in die Nacht hinein, wieder eine Heimkehr nach Einbruch der Dunkelheit. Seine Frau und seine beiden kleinen Söhne waren im Ferienhaus der Familie in Sun Valley.
Ein weiterer Druck auf die Fernbedienung ließ sein Garagentor nach oben schwingen. Eigentlich hätte dabei die Innenbeleuchtung angehen müssen, aber diesmal blieb die Garage wegen irgendeines Defekts dunkel. Er öffnete die Fahrertür und stieg aus.
»Byron…«, sagte eine Männerstimme im Dunkeln.
Byron Willis zuckte zusammen, fuhr herum und sah die vagen Umrisse einer Gestalt auf sich zukommen.
»Wer sind Sie?«
»Ein Freund von Harry Addison.«
Harry? Was zum Teufel hatte das zu bedeuten? Plötzlich durchzuckte ihn Angst. »Wie sind Sie hier reingekommen? Was wollen Sie?«
»Nicht viel.«
Eine kleine Flamme blitzte auf, und Willis hörte ein Geräusch, als habe jemand gespuckt. Er spürte einen kräftigen Schlag gegen seine Brust,
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