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Des Teufels Kardinal

Des Teufels Kardinal

Titel: Des Teufels Kardinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allan Folsom
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Ahnung, wer ihn den Medien zugespielt habe. Er wisse auch nicht, wer das Foto von Addisons Bruder verbreitet und die Vermutung ausgestreut habe, Pater Daniel Addison, der nach dem Mord an dem Kardinalvikar von Rom angeblich bei dem Busattentat umge-kommene Hauptverdächtige, lebe noch und halte sich irgendwo in Italien versteckt. Es sei richtig, daß eine Belohnung von hundert Millionen Lire für Hinweise, die zur Ergreifung eines der beiden Brüder Addison führten, ausgesetzt worden sei.
    Die Kameras schwenkten abrupt von Taglia weg ins Studio, wo ei-ne attraktive Moderatorin hinter einem Glastisch den Videofilm mit Harry Addison ankündigte. Nachdem er gelaufen war, wurden Fotos der Brüder gezeigt und die Telefonnummer eingeblendet, die jeder anrufen konnte, der einen der beiden Männer sah.
    Marsciano schaltete das Gerät aus und starrte den leeren Bildschirm an. Seine Welt war plötzlich dunkler geworden. Es war eine Welt, die in den folgenden Stunden noch schwieriger, wenn nicht sogar unerträglich werden würde.
    In einer knappen halben Stunde würde er vor den vier Kardinälen sitzen, aus denen die Kommission zur Überwachung der Investitionen des Heiligen Stuhls bestand, und ihnen den bewußt irreführenden neuen Investitionsplan zur Billigung vorlegen.
    Sobald sie ihre Besprechung um dreizehn Uhr dreißig zur Mittagspause unterbrachen, würde Marsciano den zehnminütigen Spazier-141
    gang vom Vatikan zum Amari machen – einer kleinen, von einer Familie geführten Trattoria am Viale Angelico. Dort würde er in dem privaten Speisezimmer im ersten Stock mit Palestrina zusammentref-fen, um ihm Bericht über das Ergebnis zu erstatten. Von diesem Ergebnis hing nicht nur Palestrinas »chinesisches Protokoll«, sondern auch Marscianos eigenes Leben und damit auch Pater Daniels Leben ab.
    Er versuchte bewußt, diesen Gedanken zu verdrängen, weil er fürchtete, er werde ihn schwächen und seine Verzweiflung sichtbar werden lassen, wenn er vor die Kardinäle trat. Aber während der Minutenzeiger tickend vorrückte, stiegen trotz aller Anstrengung schlimme Erinnerungen in ihm auf, die ihn erschreckten, fast als habe Palestrina sie ihm geschickt.
    Plötzlich stand ihm wieder alles klar vor Augen. Er sah sich am Abend des Tages, an dem der Bus nach Assisi explodiert war, in Pierre Weggens Genfer Büro. Das Telefon klingelte, der Anruf war für ihn. Am Apparat war Palestrina, der ihm mitteilte, Pater Daniel habe in dem Bus gesessen und sei vermutlich tot, und ausdruckslos hinzufügte: »Die Polizei hat genügend Beweismaterial zusammengetragen, um Pater Daniel des Mordes an Kardinal Parma zu überführen.«
    Marsciano erinnerte sich an seinen empörten Widerspruch, Weggens schwaches Grinsen, als kenne der Bankier den eigentlichen Zweck dieses Anrufs bereits, und Palestrinas nüchternen Tonfall, als er dann weitersprach:
    »Sollte Ihre Präsentation vor dem Ausschuß so fehlschlagen, Eminenz, daß der Investitionsplan durchfällt, wird die Polizei bald entdecken, daß die von Parmas Ermordung ausgehende Spur sich nicht zu Pater Daniel, sondern direkt zu Ihnen zurückverfolgen läßt. Und ich nehme sicher an, daß die Ermittler Sie als erstes fragen werden, ob der Kardinalvikar Ihr Liebhaber gewesen ist. Leugnen wäre natürlich zwecklos, weil es genügend Beweise geben würde: Notizen und eindeutige Briefe sehr persönlicher Art, die in Ihren und seinen Computerdateien gefunden würden… Stellen Sie sich also vor, Eminenz, wie es wäre, Ihr und sein Gesicht in jeder Zeitung, auf der Titelseite aller Nachrichtenmagazine und weltweit auf allen Fernseh-142
    schirmen zu sehen. Stellen Sie sich die Auswirkungen auf den Heiligen Stuhl und die Schande vor, in die Sie unsere heilige Kirche stürzen würden.«
    Vor Entsetzen am ganzen Leib bebend und ohne den geringsten Zweifel daran, wer das Busattentat in Auftrag gegeben hatte, hatte Marsciano einfach aufgelegt. Palestrina war überall. Er zog die Daumenschrauben an, verstärkte seinen Zugriff. Effizient, beherrscht, skrupellos. Mächtiger, erschreckender und abscheulicher, als Marsciano es sich je hätte vorstellen können.
    Marsciano drehte sich im Sessel nach links und sah aus dem Fenster. Auf der anderen Straßenseite wartete der graue Mercedes, der ihn aus seiner Residenz in den Vatikan bringen sollte. Sein Fahrer war ein neuer Mann, von dem Farel große Stücke zu halten schien: Anton Pilger, der vatikanische Kriminalbeamte mit dem Babygesicht. Auch seine Haushälterin,

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