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Des Teufels Kardinal

Des Teufels Kardinal

Titel: Des Teufels Kardinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allan Folsom
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der Zwerg es verlangte. Das Paket enthielt zusammengerollte Kleidungsstücke: schwarze Hose, schwarze Jacke, schwarzes Hemd und weißer Priesterkragen, alles getragen, aber noch brauchbar.
    »Sie verwandeln sich jetzt in Ihren Bruder, okay?«
    Harry lächelte ungläubig.
    »Also gut, vielleicht nicht in Ihren Bruder, aber in einen Priester.
    Warum nicht? Sie haben schon einen Bart, der Ihr Aussehen verändert. Wie könnten Sie sich in einer Stadt voller Priester besser verstecken als in dieser anonymen Kleidung? In der Hosentasche stek-ken einige hunderttausend Lire. Das ist nicht viel, aber damit müßten Sie zurechtkommen, während Sie sich überlegen, was Sie als nächstes tun wollen.«
    »Warum?« fragte Harry. »Sie hätten mich der Polizei übergeben und die Belohnung kassieren können.«
    »Lebt Ihr Bruder noch?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Hat er den Kardinalvikar ermordet?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Da haben Sie’s! Hätte ich Sie der Polizei ausgeliefert, hätten Sie diese Fragen nie beantworten können. Wie wollen Sie das wissen, wenn Sie’s nicht selbst rauskriegen? Abgesehen davon, daß Sie selbst wegen der Ermordung eines Polizeibeamten zur Fahndung ausgeschrieben sind. Das macht die Sache doppelt interessant, was?«
    »Von diesem Geld hätten Sie lange leben können.«
    »Aber die Polizei hätte es mir übergeben müssen. Und ich kann nicht zur Polizei gehen, Mr. Harry, weil ich selbst ein Mörder bin.
    Und hätte ich andere hingeschickt, damit sie die Belohnung in meinem Auftrag kassieren, wären sie vielleicht damit durchgebrannt. Sie selbst säßen im Gefängnis, und ich wäre nicht besser dran als jetzt.
    Wem wäre damit geholfen?«
    »Warum also?«
    »Warum ich Ihnen helfe?«
    »Ja.«
    »Um Sie freizulassen, Mr. Harry, und zu sehen, was Sie tun können. Wie weit Sie mit Mut und Verstand kommen. Ob Sie gut genug 146
    sind, um zu überleben. Um Antworten auf Ihre Fragen zu finden. Um Ihre Unschuld zu beweisen.«
    Harry musterte ihn prüfend. »Das ist nicht der einzige Grund.«
    Herkules wich auf seinen Krücken etwas zurück, und Harry sah zum erstenmal einen traurigen Ausdruck auf seinem Gesicht. »Der Mann, den ich umgebracht habe, ist reich und betrunken gewesen. Er hat versucht, mir den Schädel mit einem Ziegelstein einzuschlagen, weil ich ein Zwerg und ein Krüppel bin. Ich mußte mich wehren, und ich hab’s getan.
    Sie sind ein gutaussehender, intelligenter Mann. Machen Sie Gebrauch von Ihren Gaben. Sie haben eine Chance, ich habe keine. Ich bin ein häßlicher Zwerg, ein Mörder, der dazu verdammt ist, in der Unterwelt zu hausen. Gewinnen Sie Ihr Spiel, Mr. Harry, vielleicht erinnern Sie sich an mich und kommen zurück. Vielleicht setzen Sie dann Ihr Geld und Ihr Wissen ein, um mir zu helfen. Wenn ich noch lebe, weiß jeder Zigeuner, wo ich zu finden bin.«
    Harry empfand eine aufrichtige Zuneigung und hatte das Gefühl, vor einem außergewöhnlichen Menschen zu stehen. Er mußte unwillkürlich über seine gegenwärtige Situation lächeln. Vor einer Woche war er als einer der jüngsten und erfolgreichsten Anwälte der Unterhaltungsbranche geschäftlich in New York gewesen. Ein Glückskind, dessen weiterer Aufstieg vorprogrammiert war. Sieben Tage später stand er nach geradezu unvorstellbaren Schicksalsschlä-
    gen schmutzig und verletzt in einem engen Luftschacht über der römischen U-Bahn, ein Verbrecher, nach dem wegen der Ermordung eines italienischen Polizeibeamten gefahndet wurde.
    Das Ganze war ein Alptraum, der zwar unglaublich, aber nur allzu real war. Und mitten darin stand ein Mensch, dem das Leben übel mitgespielt hatte, der kaum hoffen durfte, jemals seine Freiheit wie-derzuerlangen, ein verkrüppelter Zwerg, der ihn gerettet und mitgeholfen hatte, ihn gesund zu pflegen. Er bat ihn um seine Hilfe. Irgendwann in der Zukunft, falls er’s nicht vergaß.
    Mit dieser schlichten Bitte hatte Herkules ihm einen Vertrauens-vorschuß gewährt, den Harry kaum für möglich gehalten hätte. Er hatte seine Überzeugung geäußert, ein Mensch, der das wolle, könne seine im Leben erworbenen Kenntnisse dafür einsetzen, einem Mit-147
    menschen etwas Gutes zu tun. Das war offen, ehrlich und ohne die Erwartung gesagt worden, daß dieser Fall jemals eintreten werde.
    »Ich tue mein Bestes«, sagte Harry. »Das verspreche ich Ihnen.«

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    Eine Caféteria in der Stazione Termini, Roms Hauptbahnhof, 9.30 Uhr
    Roscani sah ihm nach, als er zu den Bahnsteigen hinausging und in der

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