Des Teufels Maskerade
Geschichte ist natürlich, dass bewusster Herr wieder aufgetaucht ist. Und dass er einen Namen hat: Vaclav Heller. Und eine Adresse, ganz in der Nähe der Pinkassynagoge. Und das Allerbeste daran ist …«
»… dass er seit 45 Jahren nicht die Wohnung gewechselt hat?«, riet ich.
Mirko gab sich größte Mühe, meine Gratulationen zu seiner
guten Arbeit nicht mit einem allzu triumphalen Lächeln entgegenzunehmen.
»Kutscher!«, rief ich aus. »Zur Pinkassynagoge!«
Noch war das Haus, in dem Vaclav Heller eine Wohnung sein Eigen nannte, als pittoresk zu bezeichnen. Allerdings trennten es nur noch ein gutes Jahrzehnt und ein, zwei weitere ungeglückte Umbaumaßnahmen von dem vernichtenden Attribut »schäbig«. Langsam, wie der müde Greis, der ich nie zu werden gedachte, quälte ich mich das enge Stiegenhaus in den dritten Stock empor. Auf mir meinte ich Mirkos abfällige Blicke zu spüren. Lysander wiederum hatte sich mit der Begründung verabschiedet, dass jemand, der wusste, was er tat, bei Anbruch der Nacht, wenn der Vampir erwachte, zugegen sein müsste.
Ich strich meine Kleidung glatt und zwang mich, aufrecht zu stehen, ehe ich die bestickte Klingelschnur zog.
»Spar dir die Mühen«, murmelte Mirko boshaft an meiner Seite. »So wie du ausschaust, ist es völlig ausgeschlossen, dass er dich nicht für einen Schurken hält.«
Eine Frau mit freundlichem Mopsgesicht öffnete uns. Sie war mit einem recht freizügigen Hauskleid angetan, das alle Fragen über ihre Figur restlos beantwortete.
»Dr. Heller«, korrigierte sie mich scharf, als ich mich wortreich entschuldigte und nach dem Wohnungsinhaber erkundigte. Sie war unentschlossen, wie sie mit uns verfahren sollte.
»Fräulein Helene?«
Ein Herr – hochgewachsen, schlaksig, sehr grau und deutlich jünger, als ich erwartet hatte – trat uns entgegen. Er konnte nicht viel mehr als ein Knabe gewesen sein, als Lišek ihn rekrutiert hatte. Und in diesem zarten Alter sollte er schon eine Zuchthausstrafe abgedient haben?
»Dr. Vaclav Heller?«, wiederholte ich zweifelnd.
»Ja, gewiss.« Er schien nicht im mindesten erstaunt oder gestört durch unseren späten Besuch.
»Wir müssten Sie dringend bitten, in einer«, vergeblich suchte ich nach einem harmlosen Adjektiv, »delikaten Angelegenheit mit uns zu sprechen.«
Aufmerksam unterzog er meine gesamte desolate Gestalt einer Musterung. Dann bat er uns einzutreten.
Wir folgten ihm in einen hellgrünen Salon, den ein immenser Gummibaum dominierte.
»Bitte, nehmen Sie Platz.« Er wies auf ein fragiles Kanapee und die dazugehörige Garnitur Sesselchen. »Darf ich Ihnen etwas anbieten? Zigarren vielleicht, oder einen Slibowitz?« Er sah zwischen Mirko und mir hin und her. »Ja, Sie sollten wirklich ein Glas Slibowitz trinken«, stellte er zuletzt fest und schickte Fräulein Helene fort, das Gewünschte zu holen.
Vertraulich legte er sodann eine Hand auf Mirkos Schulter. »Keine Angst, Herr …«
»Savic«, bediente sich Mirko meines alten Pseudonyms.
»Keine Angst«, wiederholte Dr. Heller ungerührt. »Ich werde tun, was ich kann, um Ihnen zu helfen; das verspreche ich Ihnen.«
Letztere Bemerkung machte mich hellhörig. Er wusste Bescheid! Hatte Professor Novak uns verraten oder standen wir hier einem hochbegabten Telepathen gegenüber? So unwahrscheinlich mir beide Möglichkeiten erschienen, eine dritte fiel mir beim besten Willen nicht ein.
»Dr. Heller, ich danke Ihnen«, begann ich.
Er hob warnend die Hand, war doch in jenem Moment das Dienstmädchen mit einer Flasche und Gläsern in den Salon getreten.
»Bedanken Sie sich nicht«, sagte Dr. Heller, als sie sich wieder zurückgezogen hatte. »Glauben Sie mir, ich verstehe, wie akut manche Fälle sind.«
Ich rang mir ein erschöpftes Lächeln ab. »O ja. Sehr akut. Sie wissen vermutlich so gut wie ich, dass wenigstens ein Leben auf dem Spiel steht.«
Er ließ sich mir gegenüber auf einem der zierlichen Sessel nieder, drückte mir ein übervolles Schnapsglas in die Hand. »Ich bitte Sie, Baron, beruhigen Sie sich.« Dann schlug er die Beine übereinander.
Um ein Haar hätte ich mein Glas wieder fallen gelassen. »Verzeihen Sie. Mir war nicht bewusst, dass wir miteinander bekannt sind.«
Der nachsichtige Blick, mit dem Dr. Heller mich bedachte, machte jegliche Hoffnung zunichte, dass er meinen Schrecken übersehen hätte können.
»Wir wurden einander nie vorgestellt.«
Falls diese Antwort meine Bedenken zerstreuen sollte,
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