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Des Teufels Maskerade

Des Teufels Maskerade

Titel: Des Teufels Maskerade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlederer Victoria
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DEN AUFZEICHNUNGEN BARON SIRCOS, PRAG, 4. JULI 1909
    Wieder und wieder las ich auf der Fahrt zum Polizeipräsidium die wenigen Zeilen, die ein verzweifelter Leo Vlcek an seinen Bruder gerichtet hatte. Sollte ich den Wünschen des Toten entsprechen und selbst den Brief an Professor Novak weitergeben? Je mehr Personen in dem Fall ermittelten, desto größeres Aufsehen würde es geben. Durfte ich das Risiko eingehen, den Brief zu unterschlagen, um nicht die Bruderschaft, die Mörder, die Verschwörer weiter zu alarmieren? Sollte ich die Centrale umfassender in Kenntnis setzen? Immerhin hatte der private Fluch der Familie Trubic sich de facto als Staatsangelegenheit herausgestellt. Oder sollte ich erst Felix zu Rate ziehen? Felix, der mich verlachen würde, wenn ich ihm riet, sich unter polizeilichen Schutz zu stellen?
    »Sie wissen, dass ich Sie wegen Mordverdachts in Gewahrsam nehmen könnte?«, unterbrach Novak meine Überlegungen.
    Ich hob den Kopf. »Wie bitte?«, fragte ich entgeistert, woraufhin der gute Professor mir freundschaftlich auf die verletzte Schulter klopfte.
    »Betrachten Sie es einmal so, Baron: Sie finden eine Leiche, können den armen Jungen identifizieren und unterschlagen Beweismaterial.« Er deutete auf den Brief in meinen Händen. »Zudem scheinen Sie über etliche Hintergrundinformation zu verfügen, die Sie durchaus nicht mit mir teilen wollen. Was soll ich mit Ihnen machen?«

    Ich rieb mir die schmerzende Schulter und gab ihm innerlich Recht: Außenstehenden musste mein Betragen mehr als verdächtig erscheinen – und doch hatte ich keine Zeit, mich gegenwärtig mit dem polizeilichen Protokoll herumzuschlagen.
    »Ich verspreche Ihnen …«
    Novak winkte ab. »Unfug. Wie lang kennen wir uns jetzt schon, Baron? Sie werden schon wissen, was Sie tun. Und wenn Sie damit fertig sind, in ein paar Tagen, dann kommen Sie zum Verhör zu mir und erzählen mir, was es mit der Geschichte wirklich auf sich hatte.«
    In ein paar Tagen? Was mochte in ein paar Tagen alles geschehen sein? Wie töricht war ich gewesen, nach Wien zu fahren und kostbare Zeit zu verschwenden – was hatte ich mir dabei nur gedacht?
     
     
    Es dauerte eine Weile, bis wir Mirko in den weitläufigen Archiven des Polizeipräsidiums ausfindig gemacht hatten, wo er, von einem ältlichen Wachmann streng beobachtet, über den unterschiedlichsten Papieren gebrütet hatte.
    »Dejan!« Er fuhr zusammen, als ich eine Hand auf seinen Arm legte. Sein Gesicht war bleich, seine Augen müde. »Gut, dass ihr kommt! Gerade bin ich auf etwas Interessantes gestoßen!«
    Obgleich sich, abgesehen von uns, nur unzählige Regale mit gebundenen Dossiers, Dokumenten und Folianten in dem Raum befanden, rügte der Wachmann Mirkos lauten Ausruf.
     
     
    Wenig später verließen wir das Polizeipräsidium. Draußen brach schon der Abend herein; rot und rosa färbte die Dämmerung den Himmel. Wie wollte es der alte Aberglaube? Abendrot bringt Kummer und Tod? Erbärmlich.

    »Es war kolossal«, nahm Mirko den Faden wieder auf, während wir auf den Droschkenstand nahe des Fünfkirchenplatzes zuhielten. »Stunden hab’ ich in den verschiedenen Listen gewühlt! Ihr glaubt ja nicht, wie viele Leute in Prag verlorengehen. Die meisten tauchen natürlich wieder auf, weil gar nichts dran war an ihrem Verschwinden. Einer der Beamten hat mir eine Geschichte von einer Frau erzählt, die ihren Mann jedes Mal abgängig meldete, wenn er eine Nacht lang nicht nach Hause kam. Mit der Zeit wussten sie schon, in welchem Bordell sie ihn suchen mussten! Und einmal hat angeblich ein Herr sich selbst für vermisst erklärt …«
    Lysander, der eilig neben uns herhoppelte, stieß einen ungeduldigen Pfiff aus. Mirko räusperte sich. »Was euch wahrscheinlich mehr interessieren wird«, fuhr er ein wenig verlegen fort, während ich einen passierenden Einspänner heranwinkte. »1864, in der ersten Juliwoche, gab es einen interessanten Fall: Da wurde ein Herr vermisst gemeldet, der kurz davor aus einer mehrmonatigen Haftstrafe entlassen worden war.«
    Auf’s Geratewohl fischte ich ein paar Münzen aus meinem Portemonnaie und drückte sie dem Kutscher in die Hand.
    Seine Reaktion – »Gnädiger Herr wollen zur Hybernská, jawohl, gnädiger Herr, bitte nur einzusteigen«, legte nahe, dass die Entlohnung recht üppig ausgefallen war.
    »Haftstrafe, weshalb?«, fragte ich Mirko, sobald wir losgefahren waren.
    »Politischer Agitation«, erwiderte Mirko sehr stolz. »Das Beste an der

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