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Des Teufels Maskerade

Des Teufels Maskerade

Titel: Des Teufels Maskerade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlederer Victoria
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Entschuldigung.
    »Ich bin gekommen, um mit Ihnen über den Fuchs zu sprechen«, sagte ich unverdrossen.
    »Und vom Balkan kommt er obendrein!«, rief der alte Herr – Fluch des Akzents.
    »Der Fuchs«, wiederholte ich. »Lišek von Zdar.«
    Vaclav Heller wurde sehr blass. »Nein!«, gellte er mit hoher, aufgebrachter Greisenstimme. Sogleich trat sein Sohn zu ihm, legte ihm eine Hand auf die Schulter. Doch Heller stieß ihn zur Seite. »Nein! Nein! Geh! Scher dich zum Teufel, Ausgeburt der Hölle!« Mit zittrigen, fahrigen Bewegungen schlug er das Kreuz vor seiner Brust.
    Heißes Mitleid für diese zerrüttete Seele überkam mich. Meinen detektivischen Geboten folgend, fragte ich dennoch kühl: »Was hat Lišek von Zdar Ihnen angetan?«
    Wieder schrie er auf, noch lauter. »Nein! Ich bin kein Mörder!« Panik flackerte er in seinen Augen. »Nicht! Fort von mir! Nein!« Er wand sich wie unter Schmerzen. Schweiß stand ihm auf der Stirn. »Bitte, nicht, ich werde schweigen! Ich schwöre es!«
    Jetzt schluchzte er. »Nicht meinen Sohn. Alles werde ich tun, Ctirad, ich schwöre! Ah!«
    Dr. Heller hielt die Handgelenke seines Vaters fest. »Das genügt.« Er klingelte, und sogleich trat Fräulein Helene in den Salon. Beruhigungen murmelnd, führte sie den zitternden Greis in sein Schlafzimmer.
    »Diese und ähnliche Szenen wiederholen sich seit Jahrzehnten«, erläuterte uns Dr. Heller, als wir uns verabschiedeten. »Helfen konnte auch ich ihm nicht.« Aus ihm sprach die Resignation eines Menschen, der sich damit abgefunden hatte, in verlorener Sache zu kämpfen, und dennoch wusste, dass er niemals aufgeben würde.

     
     
    Es hatte zu regnen begonnen. Schwer klatschten die Tropfen auf die Straße, ein Blitz zuckte am Horizont. Mirko bebte; hinter seiner oberflächlichen Fassade verbarg sich zuweilen ein überaus zartfühlender junger Mann. »Meinst du, der Fuchs hat ihn … gefoltert, um ihn zum Schweigen zu bringen?«
    Ich nickte. Schon früher hatte ich Menschen gesehen, die Angst und Schmerz um den Verstand gebracht hatten. Die Folgen glichen sich oftmals. Schweigend gingen wir nebeneinander durch die Straßen. In der Nähe des Mariannenplatz sprach uns ein kleingewachsener Herr an, der mit seinem eifrig schnüffelnden Dackel den Bürgersteig entlangschlurfte. »Alle Augenblicke regnet es«, beschwerte er sich. Hauspantoffel lugten unter seinem Mantel hervor. »Was für ein Sommer!«
    »Ja, was für ein Sommer«, bestätigte ich ihm. Eine Welle unerklärlicher Heiterkeit, beinahe Euphorie, durchflutete mich, die wohl mehrheitlich der unseligen Mischung von Schmerzen, zu wenig Schlaf und zu viel Slibowitz zuzuschreiben war. In der Ferne grollte leise der Donner.
     
     
    Wir hörten die Schreie, kaum dass ich die Wohnungstür aufgeschlossen hatte. Einer dumpfen Ahnung folgend, eilte ich in den Salon.
    Mit Freuden erzählte Pavel jedem, der ihn nicht schnell genug zum Schweigen bringen konnte, wie er während seines Jahrs auf See eine Amputation durchgeführt hatte, nachdem es ausgerechnet der Schiffsarzt gewesen war, der sich infolge eines Unfalls den Arm derart zertrümmert hatte, dass er abgenommen werden musste. Pavel, der als Sohn eines Viehdoktors wenigstens über medizinische Grundkenntnisse, und von sich aus über einen starken Magen und gute Nerven verfügte, war mit Beil und Säge ans Werk gegangen, um das Leben eines Mannes zu retten, der bis zur Ankunft im nächsten Hafen eines
jämmerlichen Todes erlegen wäre. (Im Übrigen gelang die Operation, und der Schiffsarzt sendet Pavel bis heute Weihnachtsgrüße.)
    »Er ist vor ein paar Minuten aufgewacht«, grüßte mich Lysander, der mir mit gesträubtem Nackenhaar entgegenkam. »Pavel meinte, er könne ihm helfen.«
    Dem Anblick, der sich Mirko und mir bot, mangelte es wahrhaftig nicht an Morbidität. Mitten im Salon stand ein geöffneter Sarg, über den sich Pavel mit Pinzette und Salbentiegel beugte; wohl um eingebrannte Kleidungsfetzen aus den Wunden zu entfernen. Ahnte er nicht, dass es den verletzten Vampir stärker denn je zuvor nach Blut gelüstete? Dass er trinken musste, um heilen zu können?
    »Pavel. Gehen Sie! Sofort!«, befahl ich.
    Er gehorchte unwillig, aber ohne Widerspruch.
    Dann trat ich zum Sarg und zwang mich, hinabzusehen auf die armselige, geschundene Gestalt. Buckingham regte sich schwach; seine geöffneten Augen waren glasig und von Schmerz verschleiert.
    Es gab nur ein Heilmittel.
    Jemand musste es tun.
    »Bring mir ein scharfes

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